19. Verhalten bei drohender Psychatrisierung

Aus Gefangenenratgeber

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19. Verhalten bei drohender Psychiatrisierung

Allgemein und für jeden Einzelfall gültig lässt sich nicht sagen, was schlimmer ist, Knast oder Psychiatrie — die PKHs (Psychiatrische Krankenhäuser) und LKHs (Landeskrankenhäuser). Aber viele Gefan­gene, die beides kennen, finden tatsächlich die Psychiatrie noch schlimmer als den Knast. Ein_e Gefangene_r schrieb uns: „Wenn der_die Staatsanwalt_anwältin meint, dass ich was Strafbares gemacht habe, so soll er_sie mich im Knast lassen. Knast ist mir lieber wie Irrenhaus — man steht dort nicht unter totaler Kontrolle und läuft keine Gefahr, mit Psychopillen verrückt gemacht zu werden". Denn zumindest von daher wirst du im Knast noch ernster genommen: du hast was gemacht und sollst dafür einstehen. Es gibt dich noch als hand­lungsfähiges Individuum — selbst wenn deine Handlungsfähigkeit im Knast auf ein Minimum reduziert wird. Demgegenüber greift die Psychia­trie viel tiefer in deine Selbstbestimmung ein. In allererster Linie gilst du als mehr oder minder unzurechnungsfähig („geisteskrank", „geistes­schwach" etc.). Und darum muss man dir „helfen" — nicht mehr mit Zwangsjacke, nicht mehr mit direkten, Wunden und Verletzungen hinterlassenden Eingriffen und Angriffen auf deinen Körper, sondern viel „humaner", mit Eingriffen, die keine offenen Wunden hinterlassen — mit Chemie, Psychopillen. Üblicherweise wirst du damit vollgestopft, bis du selbst zu zweifeln beginnst, wer nun eigentlich verrückt ist. Wenn dir Psychiatrisierung droht, ist es nützlich, einige Informationen zu haben.

Unter welchen Bedingungen kannst du in die Psychiatrie eingewiesen werden?

„ Beobachtungsunterbringung"

Dein Prozess steht noch aus und für diesen Prozess ist ein_e Gutachter_in beantragt, der_die sich zu deinem Geisteszustand äußern soll. Um dich länger und gründlicher beobachten zu lassen, kann dann das Gericht sog. Beobachtungsunterbringung beantragen, d.h. dich zur Beobachtung in die Psychiatrie einweisen. Eine solche Beobachtung darf maximal 6 Wochen dauern. Gegen die Anordnung kannst du oder dein_e Anwalt_Anwältin Beschwerde einlegen. Sie hat aufschiebende Wirkung. Wenn du keine_n Antwlt_Anwältin hast, muss dir eine_r gestellt werden. Hör dich also bei Mitgefangenen um und lass die den_die, der_die dir empfohlen wird, als Pflichtverteidiger_in zuzuordnung (alles § 81 StPO)

„ Einstweilige Unterbringung"

Wenn du zur Tatzeit vermindert oder nicht zurechnungsfähig warst und das Gericht davon ausgeht, dass bei der Verhandlung die Unterbringung in eine Heil- und Pflegeanstalt angeordnet werden wird und die „öffentliche Sicherheit es erfordert" (d.h. du giltst als gefährlich für dich und andere), dann wird das Gericht dich aus dem Verkehr ziehen wollen. Es ordnet per „Unterbringungsbefehl" deine „einstweilige Unterbringung" an (§ 126a StPO). Das Ganze ist etwa wie die U-Haft. Nur weil du als nicht zurechnungsfähig giltst, kommst du nicht in den Knast, sondern in die Psychiatrie. Rechtsmittel gegen diesen Beschluss sind auch dieselben, wie bei einem Haftbefehl, d.h. du kannst münd­liche Prüfung beantragen und Beschwerde einlegen, die jedoch keine aufschiebende Wirkung hat. Nach 3 Monaten muss dir, genauso wie wenn du in U-Haft wärst, ein_e Anwalt_Anwältin beigeordnet werden. Wenn die Gründe für deine Unterbringung nicht mehr vorliegen, kann der Unter­bringungsbefehl in einen Haftbefehl umgewandelt werden {§§ 63 und 64 StGB).

„ Maßregel"

Auch durch Urteil kann das Gericht dich statt in den Knast in die Psychiatrie schicken. Dann heißt das nicht mehr „Freiheitsstrafe", sondern „Maßregel". Häufiger ist allerdings, dass beides angeordnet wird — nacheinander (§§ 61-63 StGB). Wichtig ist die Reihenfolge. Laut Gesetz soll die Maßregel vor der Strafe vollzogen werden (§ 67 StGB), üblicherweise läuft's aber umgekehrt, d.h. du wanderst zuerst in den Knast und sollst anschließend noch in die Psychiatrie. Wichtig ist nun zu wissen, dass, wenn der Grundsatz „erst Maßregel,-dann Strafe" umgedreht wird, nach Verbüßung der Strafe erneut geprüft werden muss, ob die Ziele der Maßregel (z.B. Drogenentzug) durch die Strafzeit nicht schon erreicht sind. Wenn du z.B. Knast und Entzug in einer Anstalt aufgebrummt bekommen hast, wirst du immer argumentieren können, dass du durch den Knast bereits entzogen bist. Wichtig ist also, dass du nicht so ohne weiteres vom Knast einfach in die Psychiatrie weitergeschoben werden kannst. Und wenn nach deinem Urteil 3 Jahre verstrichen sind, in denen du immer noch erst im Knast warst, dann müssen nicht nur die Gründe für die Unterbringung in der Psychiatrie neu geprüft werden, sondern die Unterbringung muss erneut beantragt werden.

„Untragbar für den Vollzug"

Schließlich kannst du bereits im Knast in Strafhaft sein und die Anstaitsleitung kommt zu dem Schluss, dass du für den Vollzug nicht tragbar bist — sei es, dass es dir tatsächlich miserabel geht oder, was häufiger ist, dass du mehr Widerstand leistest und sie dich loswerden wollen. So wirst du in die Psychiatrie eingewiesen. Die Einweisung muss innerhalb von zwei Tagen durch Gerichtsbeschluss („einstweilige Unterbringung") abgesegnet werden. Ein_e Anwalt_Anwältin wird dir dann beigeordnet, wenn dies „zur Wahrung deiner Rechte geboten" erscheint, worauf du auf jeden Fall be­stehen solltest. Vom Zeitpunkt der Einweisung liegt dein Schicksal in erster Linie in der Hand des_r behandelnden Arztes_Ärztin. Diese_r muss ein Gutachten machen, nach dem sich das Gericht richtet. Gegen den Einweisungsbeschluss kannst du innerhalb einer Woche eine sofortige Beschwerde einlegen. Was wichtig zu wissen ist: „Geisteskranke" gelten als vollzugsuntauglich, so dass in der Regel die Strafvollstreckung unterbrochen wird. Praktisch bedeutet das, dass sich deine Zeit, die du noch absitzen musst, um den Aufenthalt in der Psychiatrie ver­längert. Du solltest aber versuchen, ähnlich wie bei einem längeren Krankenhausaufenthalt eine Anrechnung zu erreichen, indem du selbst oder dein_e Anwalt_Anwältin dies beim Vollstreckungsgcricht beantragst.

„Sozialtherapie"

Seit Inkrafttreten des neuen Strafvollzugsgesetzes gibt es unter bestimmten Voraus­setzungen auch die Möglichkeit der Einweisung in eine sog. „Sozialtherapeutische Anstalt" (für vorbestrafte Rückfalltäter mit Persönlichkeitsstörung, für zurech­nungsunfähige oder vermindert zurechnungsfähige mit guter Prognose usw.). Da es aber bisher kaum solche Anstalten gibt, wird diese „Maßregel" auch kaum ausge­sprochen.

"Was machen psychiatrische Gutachter mit dir? Welche Methoden haben sie? Wonach beurteilen sie dich?"

Psychiater glauben entscheiden zu können, was normal ist und was nicht. Für alles, was sie für nicht normal halten, haben sie Etiketten gelernt. Die wenigsten Pychiater versuchen, dich zu verstehen, sich auf dich einzulassen oder dich überhaupt wahrzunehmen. Meist können sie auch nichts mehr wahrnehmen, auf das nicht eines ihrer Etiketten passen würde. Sie können auch kein anderes Interesse haben. So zwängen sie dich in ihre Kategorien: entweder du bist „haltlos", „asozial", „süchtig", „aggressiv" „egozentrisch" usw., was alles in Richtung Eigenverantwortlichkeit deutet, das heißt du kannst ordentlich verknacke werden, weil du schließ­lich selbst dran schuld bist, so zu sein — oder aber du bist „geistes­schwach", „psychopathisch", ,,infantil", „sceuerungsunfähig", „psycho-, nichtsdestotrotz gefährlich oder schutzbedürftig. Der Menschheit kannst du jedenfalls nicht zugemutet werden. Die Methoden, mit denen Psychiater zu solchen Schlüssen kommen, reichen von körperlichen Untersuchungen (da sie ja Mediziner sind) bis zu psychologischen Testverfahren,

"Die körperlichen Untersuchungen"

Zu den körperlichen Untersuchungen zählen u.a. die Abnahme, der Hirnstromkurve (Elektroencephalogramm — EEG) und die Untersu­chung des Gehirnwassers (Liquorpunktion). Bei der Liquorpunktion wird Gewebewasser aus dem Rückenmark in der Lendengegend oder im Nacken direkt am Kopf entnommen und Luft in die Gehirnräume gespritzt, was unheimliche Schmerzen bereitet und dich einige Tage krank machen kann. Du solltest einer solchen Untersuchung nur zustimmen, wenn du dich schwer krank fühlst (Hirnhautentzündung) oder aber unter schweren Krämpfen leidest oder aber der Verdacht auf Krebs im Gehirn besteht. Bei dem Elektroencephalogramm werden Kabelelektroden auf deine Kopfhaut angelegt, um die Hirnströme zu messen. Wenn du die Anweisungen nicht beachtest oder aber unruhig und nervös bist, oder aber Angst hast, dann kann es im Ergebnis heißen: unnormale Hirnstromkurve, Krampfpoten­tiale oder Aktivität bestimmter Hirnwellen, obwohl du völlig gesund bist.

"Die psychologischen Tricks"

Die psychologischen Tests werden meist von einem Psychologen im Auf­trag des Psychiaters durchgeführt (dazu findest du in den Abschnitten 5.7. und 5.8. über den Psychologen noch Näheres). Ein besonderer Trick, um dein Vertrauen zu gewinnen und dir zu zeigen, wie abhängig du von dem „wohlmeinenden" Psychiater bist, ist das soge­nannte ärztliche Gespräch. Dabei zeigen die Ärzte mal Verständnis für deine Situation und bieten dir Hafterleichterungen, Zigaretten usw. an und im nächsten Moment drohen sie damit, nichts für dich tun zu wollen oder dich, wenn du nicht mitarbeitest, ins nächste Irrenhaus zu stecken. Mit diesem „Zuckerbrot und Peitsche", mit dieser Zweigleisigkeit (oder „Double-Bind-Technik") wollen sie verhindern, daß du dich wehrst und Abwehrmechanismen aufbaust, die du brauchst, um zu überleben. Mit Hilfe dieser Gesprächstechnik kann ein geschulter Psychiater oder Psycho­loge erreichen, daß du gar nicht mehr weißt, weshalb du untersucht werden sollst, weshalb du im Knast bist und weshalb du gegen die Haft und gegen die Knastärzte bist. Sie wollen damit erreichen, daß du letztlich erzählst, was dir gerade so in den Sinn kommt, du dich gar nicht mehr an Einzel­heiten, bestimmte Fragen, bestimmte Aussagen oder ihre Bedeutung entsinnen kannst und schließlich dem Psychiater völlig vertrauen mußt — ihm ausgeliefert bist. Eine ähnliche Wirkung kann auch mit Hilfe der Isolation (oder auch der Androhung von Isolation) erreicht werden. In der Isolation werden dir alle äußeren Reize weggenommen (Licht, Geräusche, Gerüche, fühlbare Gegenstände, Wärme, Kälte, Gespräche, gemeinsame Erlebnisse und schließlich auch die Kontrolle deiner Gedanken), so daß du für jede kleine Erleichterung ungeheuer dankbar bist und Todesangst vor jeder neuen Bestrafung und Isolation entwickelst. Du bist nicht mehr du selbst, sondern abhängig von der Knastmaschinerie. Was du dagegen machen kannst, haben wir schon oben beschrieben (vergl. Abschnitt 4.2.): Gedan­kenspiele, dich zwingen, bestimmte Sachen durchzudenken, dir auszu­malen und zu träumen, wobei du selbst bestimmst, was du dir einbildest oder träumst; autogenes Training, Körpenraimng usw.

"Der-Einsatz von Psychopharmaka"

Eine weitere Methode zur „Heilung" oder „Besserung", das heißt also zur Anpassung an das sogenannte Normale, ist die Gabe von Psychophar­maka, Medikamenten die den Gehirnstoffwechsel beeinflussen, dich müde, erregt, abgespannt, gehemmt, froh und hoffungsvoll machen können. Die Ärzte setzen diese Medikamente gern ein, damit du ruhig und angepaßt bist (es sieht viel „menschlicher" aus, wenn dein Gehirn und dein Haß nicht mehr richtig funktionieren, als wenn man dich weichprügeln würde) oder auch, damit sie beweisen können, wie krank und behandlungs-bedürftig du doch eigentlich bist. Manche Medikamente wirken so, daß du das Gefühl hast, ständig benebelt zu sein, dich nicht mehr kontrollieren zu können, oder aber du fühlst dich ständig gehetzt und getrieben oder aber du bekommst Wahnvorstellungen. (Die Psychopharmaka werden in einem besonderen Kapitel 21. „Medikamente" besprochen).

Zur Möglichkeit, die psychiatrische Untersuchung zu verweigern, schreibt ein Gefangener aus eigener Erfahrung:

Zur Erstellung des Gutachtens, also der Psychatrisierung, benötigen die Ärzte das Vertrauen der "Patienten" - um das Vertrauen sind sie auch ständig bemüht, sie sind auf die Mitarbeit der „Patienten" angewiesen. Das Vertrauen ist ihr stärkster Punkt, aber auch ihr schwächster, denn ohne Vertrauen und Mitarbeit der „Patienten" sind die Ärzte ziemlich hilflos, sie müssen den „Patienten" entlassen oder aber sie greifen zu Gewalt (Zwangsinjektionen von Psychopharmaka etc.). Widerstand gegen eine drohende Psychiatrisierung kann also nur heißen: sich weigern mit ihnen zu sprechen, sich weigern an den Tests und der­gleichen teilzunehmen. Auch sonst immer klar machen, daß man kein Ver­trauen zu ihnen hat und nicht bereit ist, mit denen zu arbeiten. Damit die Weigerung mit ihnen zu reden nicht als Symptom betrachtet wird, ist es vielleicht gut, anfangs eine kurze Erklärung abzugeben, kurz und bündig betonen, daß kein Vertrauen besteht. Fertig. Natürlich versuchen sich die Ärzte anzubiedern, versuchen das Vertrauen wieder herzustellen. Vorsicht auch vor den Pflegern, die neuerdings einen auf „progressiv" bringen, um das Vertrauen der Patienten zu erschleichen. Ebenso die Krankenschwestern. Auf einer Beobachtungsstation, Wachsaal werden die Inhalte der Gespräche mit den Pflegern und Krankenschwe­stern dem Arzt weitergegeben und er verwendet sie für eine eventuelle Psy­chiatrisierung der „Patienten". Wären sie alle wirklich —wie sie beteuern — „auf deiner Seite", so müßten sie dein Verhalten, deine Verweigerung erst recht akzeptieren. Wenn du z.B. wegen Drogen untersucht werden sollst, kann die Situation dann so aussehen:

Oberarzt: Herr S, ich habe gerade mit Ihrem Staatsanwalt telefoniert, Wegen Ihrer Drogenabhängigkeit und Ihrer Vorstrafen ist er der Ansicht, daß der Paragraph 64 (StGB, Unterbringung in eine Entziehungsanstalt) angebracht wäre. Nun, was halten Sie davon? Oder wollen Sie mal von sich aus etwas zu Ihrer Drogenkarriere sagen?
S.: Hören Sie mal zu, ich habe schon einige Erfahrungen mit staatlichen Verwahrhäusern. Ich habe keine Lust dazu, euer Versuchskaninchen zu sein. Zieht eure Versuche ohne mich durch. Von meiner Seite besteht kein Ver­trauensverhältnis zu euch und deshalb werde ich mich weigern, mit euch zu reden, Tests mitzumachen oder sonst einen Kram. Wenn der Staatsanwalt meint, daß ich eine strafbare Handlung gemacht habe, so soll er mich ein-knasten lassen. Knast ist mir lieber als Irrenhaus — man steht dort nicht unter totaler Kontrolle und läuft keine Gefahr, mit euren Psychopillen verrückt ge­macht zu werden!
Oberarzt: Ich verstehe zwar nicht, warum Sie kein Vertrauen zu uns haben. Wir wollen Ihnen ja nur helfen, und außerdem, -wenn der Staatsanwalt die Einweisung anstrebt ist es noch lange nicht gesagt, daß wir dem zustimmen. (Sie versuchen immer zu betonen, daß sie unabhängig sind, und man ruhig Vertrauen zu ihnen haben kann. Das Gegenteil ist der Fall!)
Oberarzt: Aber das ist natürlich Ihre Sache, ob Sie mit uns sprechen wollen oder nicht, keiner kann Sie dazu zwingen. Ich werde dem Staatsanwalt schreiben, daß sie nicht gewillt sind eine Therapie zu machen und mit Ihrer bisherigen Lebensweise Schluß zu machen.
S.: Auf was wollen Sie das stützen? Weil ich kein Vertrauen zu Ihnen habe?
Oberarzt: Ich nehme an, daß der Staatsanwalt einen Haftbefehl erläßt. (Ein Versuch der Einschüchterung).
S.: Besser als in der Klappsmühle.
Oberarzt: Gut, ich werde dem Staatsanwalt sagen , daß Sie das Gefängnis vorziehen. Sie können dann jetzt gehen.
S.: Falls ich in spätestens 14 Tagen hier nicht weg bin, gehe ich in den Hungerstreik.

Damit war der Fall für mich erledigt. Mein Rechtsanwalt stellte noch zusätzlich einen Antrag, in dem er betonte, daß mein körperlicher Entzug vorbei sei, und ich nichts weiter dort verloren hätte. 10 Tage später wurde mein Unterbringungsbefehl in einen Haftbefehl umgewandelt. Und bei der nächsten Haftprüfung wurde ich entlassen. Etliche Fixer, die ich kenne, hatten eine unheimliche Angst vor dem Knast und stellten sich mit den Ärzten gut. Sie sind zum Teil noch heute in der Psychiatrie.

(Da der folgende Themenkomplex unabhängig von dem in diesem Kapitel vorab beschriebenen bearbeitet wurde und eine in sich geschlossene Abhandlung darstellt, wird sich die ein oder andere Information wiederholen.)

Einleitung

Das Kapitel " Psychiatrisierung über den Krankheitsbegriff beschäftigt sich mit der Bedeutung der Klapse in dieser Gesellschaft und der sog "Behandlung" der dort internierten Menschen. Wie Justiz und Psychiatrie zusammenwirken, dem gleichen Ziel dienen sollen, versuchen wir im 2. Kapitel darzustellen. Unterpunkte sind das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) sowie der Ausbau von Drogenknästen und sogenannten Drogenkliniken. Ob du im Knast oder in der Klapse landest, hängt oft von einer Person ab: dem/der Gutachter_in. Deshalb haben wir im 3. Kapitel alles zusammengestellt, was du wissen solltest, wenn du mit ihm/ihr zu tun hast. Im 4. Kapitel versuchen wir noch einmal detailliert zu schildern, was es heißt, als Drogenabhängige_r im Knast zu sein und dort auch noch "Therapie" zu machen; und im 5. Kapitel geht es darum darzustellen, welche Möglichkeiten der Verweigerung von Zwangstherapien es gibt, sowie Strategien bzw. Techniken ohne § 35 BtMG aus dem Knast zu kommen bzw. in zu überstehen.

19.1.1. Zur Psychiatrisierung über den Krankeitsbegriff

Dass Menschen, die ein Gesellschaftssystem in verschiedenster Art und Weise "stören", als "krank" bezeichnet werden, ist sicher kein neues Phänomen. Auch nicht, dass Zwangsmedikamentierung, sofern sie aus Gefängnissen und Psychatrien anderer Staaten bekannt wird, durchaus angeklagt wird, im eigenen Land aber als eine von vielen Behandlungsmethoden gilt, um den kranken Menschen, sprich: Störfaktor, zu heilen (z.B. mit Haldol). Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erlangt der psychiatrische Sektor kaum. Auffallend ist die Tendenz, den Krankheitsbegriff, der sich im psychiatrischen Bereich gerade im Zusammenhang mit Entmündigung und Hospitalisierung sehr bewährt hat, auf andere Bereiche, also z.B. Knast (Behandlungsvollzug!) zu übertragen. Worin aber liegen Sinn und Erfolg dieser Methode, alle Formen des Unangepasstseins - von Verweigerung bis Widerstand gegen Funktionieren im Sinne dieses Staates - als krank zu bezeichnen? Zunächst einmal schränkt sie ganz klar die Solidarisierungsmöglichkeiten ein. Basierend auf der These, die "Krankheit" sei Resultat ganz persönlicher Geschichte des_der Einzelnen, also nur Ergebnis individueller Sozialisationsverläufe oder gar "vererbt" (mit der Erbtheorie haben wir ja speziell in Deutschland einige Erfahrung), wird jeglicher gesellschaftlicher Zusammenhang geleugnet. So kommt wohl Mitleid/Verständnis mit diesen ach so armen Menschen auf, denen das Schicksal so hart mitgespielt hat - aber ganz entscheidend: jeder Mensch wird nur in seiner ganz individuellen Geschichte gesehen, die er mit keinem anderen teilt. "Behandelt wird also immer das Resultat (das Symptom) der individuellen Geschichte - hier fühlen sich sodann Laienhelferkreise und Patientenklubs gefordert, die beim gemütlichen Kaffeetrinken beisammen sitzen, ehrenamtliche Betreuer_innen spielen und sich bemühen, die individuellen Folgen des Lebens in diesem Staat beseitigen zu helfen. Unbeachtet bleibt, dass gerade dieses System die Ursache für die verschiedenen Formen der Verweigerung und des Widerstands ist, also nicht Mitleid und Verständinis, sondern eine grundsätzliche Solidarisierung mit denen angesagt ist, die so oder so durch das "soziale Netz" gefallen sind, eine Unterstützung ihrer Gegenwehr gegen das, was sie kaputt macht. Wie oben bereits angedeutet, dient die Diagnose "individuelle Krankheit" auch dazu, von der grundsätzlichen Krankheit des Systems abzulenken, die Aufmerksamkeit soll von der Ursache auf die Wirkung gelenkt werden. Ein weiterer und nicht zu unterschätzender Sinn dieser Methode liegt darin, die Betroffenen dazu zu bringen, sich selbst als "krank" zu begreifen. So wird ihnen dies über einen langen Zeitraum hinweg mit Hilfe verschiedener subtiler "Behandlungsmethoden" eingeredet. Hierzu dienen einschlägige sanfte Maßnahmen: keine offene Gewalt, d.h. jedenfalls keine sichtbare, direkt spürbare, sofort offensichtliche Gewalt; also: Medikamente, Gespräche, Zuwendungen und kleine Sanktionen, alles freundlich un therapeutisch begründet. So wird der_die Einzelne abgelenkt von den gesellschaftlichen Ursachen seines_ihres Schicksals (also auch des "Psychiatrisiert-Seins"), bis nur noch das eigene persönlich "Unglück" oder gar "Versagen" sehen. Wer dadurch noch nicht das gewünschte "bewusstlose" Objekt wird, das die führende Hand der Psychiater_innen braucht, wer noch sein Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl gewahrt hat (sich einfach nicht für dumm verkaufen lassen will), in dessen Fall wird zu den gewaltsamen Disziplinarmaßnahmen, wie Isozellen, Bunker, Fixiergurte, körperliche Misshandlung, Betonspritzen etc. gegriffen. Zwar sollen die Behandlungsmethoden sauber und undurchsichtig - für drinnen und für draußen - sein, doch selbst die offenen Gewaltmaßnahmen sind über den Krankheitsbegriff noch zu rechtfertigen; Schlagworte wie Krankheituneinsichtigkeit, Schutz der Patienten vor sich selbst, usw. sind ja hinlänglich bekannt. Wichtig ist auch der Aspekt, dass es in der Psychiatrie keine offiziellen "Versagensquoten" gibt. D.h. z.B., dass Selbstmord in der Psychiatrie eben auf die bei den jeweiligen "Patient_innen" bereits vorhandenen "Krankheiten" zurückgeführt wird; deren angebliches Vorhandensein verdeckt den Blick auf die tatsächlichen Ursachen des Selbstmords, nämlich den zerstörerischen "Lebensbedingungen" sowohl in der Psychiatrie als auch draußen. Im offiziellen Jargon wird ein solcher Selbstmord als "bedauerlich" bezeichnet und zynisch darauf zurückgeführt, dass der_die Betroffene eben noch nicht lange genung in "Behandlung" war. Um derartigen "selbstzerstörerischen" Handlungen also "vorzubeugen", werden die Menschen in der Psychiatrie oft rund um die Uhr "ruhiggestellt", d.h. mit Psychopillen und Nervengiften (von den Medizinern beschönigend Psychopharmaka und Neuroleptika genannt)vollgeknallt (diese Form der Zwangsbehandlung ist seit 1985 auch legal). Voll zugedröhnt sind die so Behandelten gefühls- und willenlose Wesen, deren einziges Interesse es - dank der suchterzeugenden Komponente der "kleinen bunten Helfer" - nach einiger Zeit ist, ausreichende Mengen der Psychodrogen zu ergattern. So wird es Vielen immer gleichgültiger, ob sie in der Klapse sind oder nicht. Ein weiterer "Vorteil" der Psychiatrie liegt in der Möglichkeit, Menschen dort auf unbegrenzte Zeit zu internieren - der richtige Entlassungszeitpunkt ist gekommen, wenn "Heilung" festgestellt wird.Und da sind die Psycho-Schließer sehr erfinderisch und phantasievoll... Nach Psychiatrieregeln einzufahren ist sogar noch einfacher als nach dem Strafvollzugsgesetz, da diese schwammig genug definiert sind, um den Handlangern der Herrschenden zu ermöglichen, sie auf fast jeden anzuwenden. Tatsächlich gerät jeder dritte Bundesbürger irgendwann im Laufe seines Lebens in den Machtbereich der Psychiatrie - ambulant oder stationär, freiwillig oder zwangsweise.

Je stärker nun die Definition des Andersseins als Kranksein auch auf den Knast übertragen wird, desto mehr setzt sich die Strategie des "Behandlungsvollszugs" durch. Die Gewalt wird subtiler, das Feindbild verwischt sich - statt des Rollkommandos steht ein/e sanft lächelnde/r Prsycholog/in in der Zelle, der/die sich deine Probleme anhört, deine Kindheit analysiert und dir genau erklären kann, warum es gut für dich ist, hier zu sein, eine Chance der Veränderung eben. Arbeitest du brav und willig am Therapieprogramm mit, winken dir vorzeitige Entlassung und die anderen Bonbons, die die Justiz and Angepasste so verteilt - lehnst du es ab, dich dieser Zwangstherapie zu unterwerfen, bist du eben "krankheitsuneinsichtig" und begreifst nicht, dass alle schließlich nur dein Bestes wollen. Diese Einsicht muss dir dann eben mit Gewalt vermittelt werden. Schon jetzt ist es ja neben den altbekannten gewaltsamen Disziplinierungsmaßnahmen üblich, sogenannte "Störer" vom Knast in die Klapse zu verlegen, in Berlin-Tegel gibt's der Einfachheit halber schon 'ne eigene psychiatrisch/neurologische Abteilung. Nun noch ein eigenes zur medikamentösen Behandlung, der du mit einiger Sicherheit in die Psychiatrie oder auf psychiatrisch/neurologischen Abteilung. Nun noch einiges zur medikamentösen Behandlung, der du mit einiger Sicherheit in der Psychiatrie oder auf psychiatrisch/neurologischen Abteilung (PN-Station) eines Knastes ausgesetzt bist. Die am häufigsten verwendeten Mittel wie Haldol, Glianimon, Lyogen, Neurocil, Dapotum, Akineton, Melleril, Fluaxol, Taxilan, Atosil, Imap, Apponal usw. - es kommen übrigens auch immer neue Pillen mit anderem Namen aber gleichen Wirkstoffen auf den Markt - haben eines gemeinsam: Sie sind absolut ungesund, krankmachend, schädlich. Psychopharmaka greifen die irnorganischen Stoffwechselvorgänge an und führen zu körperlichen, psychischen, unter Umständen auch hirnorganischen Schäden. Die dadurch hervorgerufenen Veränderungen deines Verhaltens gelten dann aber gerade als Beweis für deine Geisteskrankheit. Von einem bekannten Psychiatrieprof (Helmchen, FU Berlin)wurde die Belastung des Organismus durch eine Dauertherapie mit Psychopharmaka den Auswirkungen des chronischen Alkohlolismus gleichgestellt (was noch untertrieben sein dürfte). Konkret tauchen folgende körperliche Schäden als "Nebenwirkungen" der Medikamente auf: Zerstörung der weißen Blutkörperchen, Leber- und Gallenschäden, Hautkrankheiten, Krampfanfälle, Krebs, Lähmungserscheinungen, optische und akustische Verzerrungen, Menstruationsbeschwerden, erhöhte Missbildungsgefahr bei Schwangerschaften, Impotenz, Beeinflussung des Stammhirns in Form von Parkinsonismus (mimische Starre, Krampf der Rückenmuskulatur, Vorstrecken der Zunge, Schmatzen, Speichelfluss, Sprachstörungen, Streckkrämpfe, unwillkürliche Bewegungen, Zittern der Hände und Füße, Sitzunruhe) - diese Symptome treten vor allem nach Haldol-Einnahme bzw. - Verabreichung auf. Als Gegenmittel wird dann Akineton gegeben, wodurch wieder neue Nebenwirkungen wie Verstopfung, Harnverhaltung, Verwirrtheitszustände, Schlafstörungen, Unruhe, Kreislauf und Herzrythmusstörungen dazu kommen. Zu den körperlichen Schädigungen kommen dann noch die psychischen, als da sind Verwirrtheit, Benommenheit, Bewusstseinsstörungen, vegetative Krisen, Delirien, Depressionen, Selbsttötung, Entzugserscheinungen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass Psychopharmaka nur ein Symptom "heilen", an die Ursachen natürlich nicht herankommen, sondern vielmehr verhindern, dass du dich mit deinem Ausflippen, deiner Traurigkeit oder was auch immer auseinandersetzt - und das sie außerdem echte Krankheit erzeugen. Gilt die Behandlung als abgeschlossen setzen oft die alten "Krankheitssymptome" wieder ein, und du wirst aufs Neue behandelt. So kommt es zur sogenannten "Drehtürpsychiatrie". Das ganze lässt nur einen Schluss zu: Lass dich nicht "ruhigstellen"! Das ist nicht immer so einfach, da, wie erwähnt, die Zwangsbehandlung nach § 30 Abs.2 PsychKG (unaufschiebbare Behandlungsmaßnahmen hat der Kranke zu dulden) 1985 legalisiert wurde. Wenn du in der Klapse landest, gib vor allem keine Unterschriften bei der Einlieferung ab. Du sollst da oft pauschal unterschreiben, dass du dich dem Behandlungsprogramm unterwirfst und am Therapieprogramm, dazu gehört auch die medikamentöse Therapie, mitarbeitest. Statt dessen solltest du gleich einleitend schriftlich und im Beisein eines Zeugen deine Zustimmung zur Behandlung mit Psychopharmaka und Neuroleptika verweigern. Eine Kopie davon schickst du dann deiner/m Anwalt_in. Wirst du trotzdem abgefüllt, ist das Körperverletzung; wirst du durch Drohungen dazu gezwungen, ist das Nötigung, wogegen du Strafantrag stellen kannst. Der_die Psychiater_in muss dann erstmal beweisen, dass es sich um eine "unaufschiebbare Maßnahme" handelte. Trotzdem wird er in der Regel vor Gericht recht kriegen, denn du bist ja verrückt und wohl krankheitsuneinsichtig. Wenn dein_e behandelnde_r Arzt/Ärztin von vorneherein ablehnend deiner Medikamenten-Verweigerung gegenüber steht ("aber Sie müssen das nehemen, sonst müssen wir Sie auf die Geschlossene verlegen, sonst wird die Krankheit schlimmer, Sie werden sich danach besser fühlen"), wenn er_sie solche Äußerungen ablässt und du dich einer Zwangsbehandlung, die meist mit Gewalt (Fixierung) einhergeht, nicht aussetzen willst, kannst du dich auch nach außen hin bereit erklären, ein paar der Medikamente zu nehmen. Versuche die Dosis mit Ärzt_innen so gering wie möglich auszuhandeln, und bestehe auf Tablettenform, weil du Saft oder Spritzen nicht verträgst oder sowas. Die Tabletten kannst du dann unter der Zunge behalten und in einem unbeobachteten Moment wegschmeißen. Dreh sie nicht anderen Leidensgenoss_innen an. Es gibt Leute in der Klapse, besonders ältere, die schon länger drinsitzen, die ganz wild auf die Dinger sind. Eine andere Möglichkeit, gegen die Medikamenteneinnahme zu argumentieren, ist die Bestellung eines Gegengutachtens, was allerdings einiges kostet. Die einzelnen Anti-Psychiatriegruppen haben oft eine Liste von Gutachter_innen, die dich unterstützen können. Dritter und ganz wichtiger Punkt: Nichts ohne Anwalt oder Absprache mit diesem unternehmen, da dir alles und jedes als krankheitsbedingt ausgelegt werden kann. Unter Umständen kriegst du dann ganz schnell eine Pflegschaft oder Vormundschaft angehängt und hast überhaupt keine Selbstbestimmungsmöglichkeit mehr. In der Drogenklinik Frohnau (Berlin) wurde ein Typ als "pathologischer Schreiberling" bezeichnet, weil er versuchte, durch Briefe an Knastgruppen, Psychiatriegruppen, Radio und Zeitungen die Öffentlichkeit auf die üblen Geschichten, die dort ablaufen, aufmerksam zu machen. Sogenannte Psychiatrie-Anwälte, die die Tricks, Sprache und Methoden der Psychiater kennen, werden ebenso wie Gegengutachter von Anti-Psychiatriegruppen vermittelt. Da es von drinnen schwer ist, da ran zu kommen, bevollmächtige am besten eine Vertrauensperson damit, dir einen guten Anwalt zu besorgen. Du musst davon ausgehen, dass dort, wo Psychiatrieregeln herrschen, deine Grundrechte erheblich eingeschränkter sind als im Knast. Einige Beispiele dazu: § 33 - das Besuchsrecht darf eingeschränkt werden, wenn gesundheitliche Nachteile für dich entstehen können oder die Sicherheit der Einrichtung erheblich gefährdet wird. Mit der gleichen Begründung kann eingeschränkt werden: dein Recht auf persönliche Gegenstände (PsychKG § 31), dein Recht auf Schriftwechsel und telefonieren (§§ 34 und 35). Das Ganze liegt in den Händen der Ärzte und Psychiater. Wenn du im Maßregelvollzug (nach §§ 63 oder 64 StGB)drinhängst, gibt es eine Möglichkeit früher wieder rauszukommen, nämlich die Aussetzung der Maßregel zur Bewährung und Führungsaufsicht. Du beantragst mit deinem/r Anwält_in beim Amtsgericht die Einrichtung einer Pflegschaft und schlägst als Pfleger_in eine Person deines Vertrauens vor. Pfleger_in kann jede_r sein. Das Gericht wird eher zur Aussetzung der Maßregel bereit sein, wenn jemand da ist der_die sich um dich "kümmert". Selbst wenn du die Auflage bekommst noch eine Weile in der Klapse zu bleiben, regelt dein_e Pfleger_in für dich Ausgang, Urlaub oder z.B. die Behandlungsform. Ist der/die Pfleger_in also jemand der/die sich nach deinen Wünschen richtet, kannst du dir einige Erleichterungen verschaffen. Bist du dann draußen, kannst du nach einer Weile (ca. einem Jahr) beim Amtsgericht beantragen, dass die Pflegschaft abgesetzt wird, weil sie überflüssig geworden ist und du inzwischen allein klar kommst. Gut sind dafür irgendwelche Beweismittel, Gegengutachten oder Zeugen. Das Ganze ist nicht ohne Risiko, denn du kannst auch gleich eine_n Amtspfleger_in vorgesetzt kriegen oder dein_e Pfleger_in wird spätestens dann von von dem/der Amtspfleger_in abgelöst, wenn die Ärzt_innen meinen, er/sie würde nun wirklich zu weit gehen. Amtspfleger_innen kannst du in der Regel vergessen. Sie haben etwa 300 "Fälle" wie dich und regeln dein Leben vom Schreibtisch aus. Der Einfachheit halber geben sie fast immer den Ärzt_innen recht.Beschwerden über die Pfleger_innen oder den Pfleger_innenwechsel sind über das Amtsgericht möglich, aber selten erfolgreich. Noch einmal zurück zu den Medikamenten: Bist du erstmal längere Zeit damit "behandelt" worden, ergibt sich das Problem der Absetzung, sobald du dem psychiatrischen Machtbereich entkommen bist, denn einige dieser Mittel machen durchaus abhängig. Ein Absetzen kann 1. Entzugserscheinungen (Schlafstörungen, Herzjagen, Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche usw.) und 2. ein Wieder-Hochkommen deiner "Verrücktheit" hervorbringen. Die unangenehmen Auswirkungen dieser Faktoren können dazu führen, dass dein Psychiater und auch du denken, dass du ohne diese Medikamente nicht mehr gesund/normal existieren kannst und eine "Dauertherapie" benötigst. Das ist den Firmen Sandoz, Janssen, Bayer und Schering usw. natürlich nur recht. Du verdienst allerdings nicht daran. Die Entzugserscheinungen treten natürlich nicht immer direkt nach dem Absetzen auf, sondern je nach vorausgegangener Dosis und Dauer oft auch erst ein bis zwei Wochen später, wenn das Medikamenten-Depot abgebaut ist.Die Schwierigkeit des Medikamententzugs ist von mehreren Faktoren abhängig: Art, Dosis und Einnahmedauer des Medikaments, deine allgemeine Gesundheit und deine Einstellung zum Entzug, die Qualität der Unterstützung, die du während des Entzugs erhälst, deine Kenntnis des Entzugsprozesses. Das Ganze ist zu überstehen, und wahrscheinlich geht es dir anschließend besser als mit den Medikamenten. In der Klapse selbst stellt sich das Problem des Entzugs meist nicht, da du entweder vor der Entlassung langsam runterdosiert wirst oder draussen ambulant weiter behandelt werden sollst und auf voller Dosis entlassen wirst. Allerdings hast du wie bei der heimlichen Medikamentenverweigerung auch die Möglichkeit, in der Klapse heimlich die Pillen abzusetzen. Bei Depot-Verabreichung und Spritzen hast du diese Möglichkeit nicht. Versuche also am Besten von vorneherein zu verweigern, denn du brauchst einen klaren Kopf, um die vielen psychiatrischen Überwachungs- und Steuerungsmechanismen zu durchschauen, ihnen zu widerstehen, bzw. dich dagegen zu wehren. Anschließend noch kurz zur Zuständigkeit Klapse/Knast: unter das Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) fällst du in jedem Fall, wenn du im Maßregelvollzug (nach § 63 oder 64 StGB und § 126 a StPO) untergebracht bist. Ebenso, wenn du, ohne eine Straftat begangen zu haben, in die Klapse einfährst. Auf der PN-Abteilung und wenn du während einer Haftstrafe in die Klapse kommst, weil du vielleicht in deiner Zelle ausgetickt bist, unterliegst du dem Strafvollzugsgesetz, wobei die Behandlungsaspekte, d.h. die Meinung der Ärzte mitunter Vorrang haben. Entscheidend, z.B. über deine Aufenthaltsdauer in der Klapse, bleibt aber der/die Justizsenator_in.

19.1.2.

Das Bestehen des Staates darauf, dass die Leute krank sind und nicht etwa der Staat, setzt sich natürlich auch in der Drogenarbeit fort. Hier gibt es ja in den meisten Therapien eine_n ärztliche_n Leiter_in (wobei die Betonungauf Leiter_in und nicht auf Mitarbeiter_in liegt), sie werden vermehrt von den Landesversicherungskassen bezahlt, d.h. die Voraussetzung der Finanzierung ist das Vorliegen einer KRankheit. Auch wenn das Sozialamt die Kosten übernimmt, geschieht das auf der Grundlage des § 39 BSHG und nicht etwa des § 72 BSHG. Und der Staat ist nun der Auffassung, dass KRanke gezwungen werden müssen, wieder gesund zu werden. Dafür setzt er eine breite Palette von zwangstherapeutischen Maßnahmen ein.
Grundlage hierfür ist:

1. Das BtMG,

das 1982 verändert wurde, so dass jetzt grundsätzlich höhere Strafen ausgesprochen werden. Das Kronzeugenprinzip ist jetzt juristisch verankert und durch den § 35 BtMG ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Therapie und Justiz festgeschrieben. Ergänzt wird dies noch mit dem § 36 BtMG, der eine Gleichstellung zwischen Therapie und Knast bedeutet. Inhaltlich heißt das, dass die Therapien gezwungen werden, einen Therapieabbruch der Staatsanwaltschaft zu melden. Ob eine Stunde oder eine Woche später hängt wohl von der Therapie ab, ist aber für den Fakt der grundsätzlichen Zusammenarbeit unbedeutend. Die Therapien müssen auch Gutachten bzw. Zwischenberichte über ihre sogenannten Klient_inn_en erstellen, damit die Staatsanwaltschaft über den Entwicklungsstand des_der Drogenabhängigen einigermaßen Bescheid weiß.
Nachdem die Therapien dies ohne nennenswerten Widerstand (von Ausnahmen mal abgesehen) zuließen, merkten sie natürlich auch irgendwann, dass sich ihre Arbeitsgrundlage, die Annahme, dass der_die Drogenabhängige die Therapie auch machen will, nicht merh halten ließ. Das führte bei vielen Therapien zur Veränderung der Konzeption. MAl fiel das Aufnahmegespräch weg, mal wurde eineMotivationsstufe eingeführt usw. Immer aber hatte es zur Folge, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Justiz größer wurde, da bis zu 100 % der Drogenabhängigen auf der Grundlage des Knastdrucks in die Therapie kommen.

Diese Abhängigkeit bringt natürlich auch inhaltliche Veränderungen in den Therapien mit sich. War man früher einmal davon ausgegangen, dass Menschen in den Therapien lernen sollen, ohne Drogen zu leben, zählt jetzt das Verweilen in der Therapie. Denn das Verlassen der Einrichtung zieht einen neuen Haftbefehl nach sich. Dies ist nur ein Beispiel. Andere ließen sich anschließen.

Allgemein bekannt ist ja mittlerweile, dass nicht jede Therapie für jede_n Drogenabhängige_n geeignet ist, denn jede_r ist anders. Bei der Anwendung des Gesetzes fallen jetzt eine Reihe von Einrichtungen, die nicht nach dem § 35 BtMG anerkannt sind (weil sie z.B. keinen medizinischen Leiter haben oder nicht rückmelden wollen), als Therapiemöglichkeit weg. Es sind vor allem die ambulanten Programme, die in den seltesten Fällen anerkannt werden, dazu kommen 5-7 stationäre herapien wegen ihrer Weigerung, Abbrüche der Justiz rückzumelden. Allerdings gibts's auch zwischen den sogenannten 35er - Therapien erhebliche Unterschiede. Du solltest deshalb schon ziemlich aufpassen, für welche Therapie du dich entscheidest, welches Programm dir noch am besten gefällt, weil es häufig vorkommt, dass nach zwei Versuchen die unternommen wurden, um aus dem Knast zu kommen, du den Stempel des_Der Therapieresistenten angehängt bekommst. Das bedeutet, dass du für keine Therapie geeignet bist und desegen den Knast abmachen musst und/oder eine Zwangseinweisung droht bzw. ausgesprochen wird.

Der Ausbau von Drogenknästen bzw. Stationen in Psychatrien zu Drogenabteilungen

der "alte" Ratgeber