19. Verhalten bei drohender Psychatrisierung

Aus Gefangenenratgeber

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19. Verhalten bei drohender Psychiatrisierung

Allgemein und für jeden Einzelfall gültig lässt sich nicht sagen, was schlimmer ist, Knast oder Psychiatrie — die PKHs (Psychiatrische Krankenhäuser) und LKHs (Landeskrankenhäuser). Aber viele Gefan­gene, die beides kennen, finden tatsächlich die Psychiatrie noch schlimmer als den Knast. Ein_e Gefangene_r schrieb uns: „Wenn der_die Staatsanwalt_anwältin meint, dass ich was Strafbares gemacht habe, so soll er_sie mich im Knast lassen. Knast ist mir lieber wie Irrenhaus — man steht dort nicht unter totaler Kontrolle und läuft keine Gefahr, mit Psychopillen verrückt gemacht zu werden". Denn zumindest von daher wirst du im Knast noch ernster genommen: du hast was gemacht und sollst dafür einstehen. Es gibt dich noch als hand­lungsfähiges Individuum — selbst wenn deine Handlungsfähigkeit im Knast auf ein Minimum reduziert wird. Demgegenüber greift die Psychia­trie viel tiefer in deine Selbstbestimmung ein. In allererster Linie gilst du als mehr oder minder unzurechnungsfähig („geisteskrank", „geistes­schwach" etc.). Und darum muss man dir „helfen" — nicht mehr mit Zwangsjacke, nicht mehr mit direkten, Wunden und Verletzungen hinterlassenden Eingriffen und Angriffen auf deinen Körper, sondern viel „humaner", mit Eingriffen, die keine offenen Wunden hinterlassen — mit Chemie, Psychopillen. Üblicherweise wirst du damit vollgestopft, bis du selbst zu zweifeln beginnst, wer nun eigentlich verrückt ist. Wenn dir Psychiatrisierung droht, ist es nützlich, einige Informationen zu haben.

Unter welchen Bedingungen kannst du in die Psychiatrie eingewiesen werden?

„ Beobachtungsunterbringung"

Dein Prozess steht noch aus und für diesen Prozess ist ein_e Gutachter_in beantragt, der_die sich zu deinem Geisteszustand äußern soll. Um dich länger und gründlicher beobachten zu lassen, kann dann das Gericht sog. Beobachtungsunterbringung beantragen, d.h. dich zur Beobachtung in die Psychiatrie einweisen. Eine solche Beobachtung darf maximal 6 Wochen dauern. Gegen die Anordnung kannst du oder dein_e Anwalt_Anwältin Beschwerde einlegen. Sie hat aufschiebende Wirkung. Wenn du keine_n Antwlt_Anwältin hast, muss dir eine_r gestellt werden. Hör dich also bei Mitgefangenen um und lass die den_die, der_die dir empfohlen wird, als Pflichtverteidiger_in zuzuordnung (alles § 81 StPO)

„ Einstweilige Unterbringung"

Wenn du zur Tatzeit vermindert oder nicht zurechnungsfähig warst und das Gericht davon ausgeht, dass bei der Verhandlung die Unterbringung in eine Heil- und Pflegeanstalt angeordnet werden wird und die „öffentliche Sicherheit es erfordert" (d.h. du giltst als gefährlich für dich und andere), dann wird das Gericht dich aus dem Verkehr ziehen wollen. Es ordnet per „Unterbringungsbefehl" deine „einstweilige Unterbringung" an (§ 126a StPO). Das Ganze ist etwa wie die U-Haft. Nur weil du als nicht zurechnungsfähig giltst, kommst du nicht in den Knast, sondern in die Psychiatrie. Rechtsmittel gegen diesen Beschluss sind auch dieselben, wie bei einem Haftbefehl, d.h. du kannst münd­liche Prüfung beantragen und Beschwerde einlegen, die jedoch keine aufschiebende Wirkung hat. Nach 3 Monaten muss dir, genauso wie wenn du in U-Haft wärst, ein_e Anwalt_Anwältin beigeordnet werden. Wenn die Gründe für deine Unterbringung nicht mehr vorliegen, kann der Unter­bringungsbefehl in einen Haftbefehl umgewandelt werden {§§ 63 und 64 StGB).

„ Maßregel"

Auch durch Urteil kann das Gericht dich statt in den Knast in die Psychiatrie schicken. Dann heißt das nicht mehr „Freiheitsstrafe", sondern „Maßregel". Häufiger ist allerdings, dass beides angeordnet wird — nacheinander (§§ 61-63 StGB). Wichtig ist die Reihenfolge. Laut Gesetz soll die Maßregel vor der Strafe vollzogen werden (§ 67 StGB), üblicherweise läuft's aber umgekehrt, d.h. du wanderst zuerst in den Knast und sollst anschließend noch in die Psychiatrie. Wichtig ist nun zu wissen, dass, wenn der Grundsatz „erst Maßregel,-dann Strafe" umgedreht wird, nach Verbüßung der Strafe erneut geprüft werden muss, ob die Ziele der Maßregel (z.B. Drogenentzug) durch die Strafzeit nicht schon erreicht sind. Wenn du z.B. Knast und Entzug in einer Anstalt aufgebrummt bekommen hast, wirst du immer argumentieren können, dass du durch den Knast bereits entzogen bist. Wichtig ist also, dass du nicht so ohne weiteres vom Knast einfach in die Psychiatrie weitergeschoben werden kannst. Und wenn nach deinem Urteil 3 Jahre verstrichen sind, in denen du immer noch erst im Knast warst, dann müssen nicht nur die Gründe für die Unterbringung in der Psychiatrie neu geprüft werden, sondern die Unterbringung muss erneut beantragt werden.

„Untragbar für den Vollzug"

Schließlich kannst du bereits im Knast in Strafhaft sein und die Anstaitsleitung kommt zu dem Schluss, dass du für den Vollzug nicht tragbar bist — sei es, dass es dir tatsächlich miserabel geht oder, was häufiger ist, dass du mehr Widerstand leistest und sie dich loswerden wollen. So wirst du in die Psychiatrie eingewiesen. Die Einweisung muss innerhalb von zwei Tagen durch Gerichtsbeschluss („einstweilige Unterbringung") abgesegnet werden. Ein_e Anwalt_Anwältin wird dir dann beigeordnet, wenn dies „zur Wahrung deiner Rechte geboten" erscheint, worauf du auf jeden Fall be­stehen solltest. Vom Zeitpunkt der Einweisung liegt dein Schicksal in erster Linie in der Hand des_r behandelnden Arztes_Ärztin. Diese_r muss ein Gutachten machen, nach dem sich das Gericht richtet. Gegen den Einweisungsbeschluss kannst du innerhalb einer Woche eine sofortige Beschwerde einlegen. Was wichtig zu wissen ist: „Geisteskranke" gelten als vollzugsuntauglich, so dass in der Regel die Strafvollstreckung unterbrochen wird. Praktisch bedeutet das, dass sich deine Zeit, die du noch absitzen musst, um den Aufenthalt in der Psychiatrie ver­längert. Du solltest aber versuchen, ähnlich wie bei einem längeren Krankenhausaufenthalt eine Anrechnung zu erreichen, indem du selbst oder dein_e Anwalt_Anwältin dies beim Vollstreckungsgcricht beantragst.

„Sozialtherapie"

Seit Inkrafttreten des neuen Strafvollzugsgesetzes gibt es unter bestimmten Voraus­setzungen auch die Möglichkeit der Einweisung in eine sog. „Sozialtherapeutische Anstalt" (für vorbestrafte Rückfalltäter mit Persönlichkeitsstörung, für zurech­nungsunfähige oder vermindert zurechnungsfähige mit guter Prognose usw.). Da es aber bisher kaum solche Anstalten gibt, wird diese „Maßregel" auch kaum ausge­sprochen.

"Was machen psychiatrische Gutachter mit dir? Welche Methoden haben sie? Wonach beurteilen sie dich?"

Psychiater glauben entscheiden zu können, was normal ist und was nicht. Für alles, was sie für nicht normal halten, haben sie Etiketten gelernt. Die wenigsten Pychiater versuchen, dich zu verstehen, sich auf dich einzulassen oder dich überhaupt wahrzunehmen. Meist können sie auch nichts mehr wahrnehmen, auf das nicht eines ihrer Etiketten passen würde. Sie können auch kein anderes Interesse haben. So zwängen sie dich in ihre Kategorien: entweder du bist „haltlos", „asozial", „süchtig", „aggressiv" „egozentrisch" usw., was alles in Richtung Eigenverantwortlichkeit deutet, das heißt du kannst ordentlich verknacke werden, weil du schließ­lich selbst dran schuld bist, so zu sein — oder aber du bist „geistes­schwach", „psychopathisch", ,,infantil", „sceuerungsunfähig", „psycho-, nichtsdestotrotz gefährlich oder schutzbedürftig. Der Menschheit kannst du jedenfalls nicht zugemutet werden. Die Methoden, mit denen Psychiater zu solchen Schlüssen kommen, reichen von körperlichen Untersuchungen (da sie ja Mediziner sind) bis zu psychologischen Testverfahren,

"Die körperlichen Untersuchungen"

Zu den körperlichen Untersuchungen zählen u.a. die Abnahme, der Hirnstromkurve (Elektroencephalogramm — EEG) und die Untersu­chung des Gehirnwassers (Liquorpunktion). Bei der Liquorpunktion wird Gewebewasser aus dem Rückenmark in der Lendengegend oder im Nacken direkt am Kopf entnommen und Luft in die Gehirnräume gespritzt, was unheimliche Schmerzen bereitet und dich einige Tage krank machen kann. Du solltest einer solchen Untersuchung nur zustimmen, wenn du dich schwer krank fühlst (Hirnhautentzündung) oder aber unter schweren Krämpfen leidest oder aber der Verdacht auf Krebs im Gehirn besteht. Bei dem Elektroencephalogramm werden Kabelelektroden auf deine Kopfhaut angelegt, um die Hirnströme zu messen. Wenn du die Anweisungen nicht beachtest oder aber unruhig und nervös bist, oder aber Angst hast, dann kann es im Ergebnis heißen: unnormale Hirnstromkurve, Krampfpoten­tiale oder Aktivität bestimmter Hirnwellen, obwohl du völlig gesund bist.

"Die psychologischen Tricks"

Die psychologischen Tests werden meist von einem Psychologen im Auf­trag des Psychiaters durchgeführt (dazu findest du in den Abschnitten 5.7. und 5.8. über den Psychologen noch Näheres). Ein besonderer Trick, um dein Vertrauen zu gewinnen und dir zu zeigen, wie abhängig du von dem „wohlmeinenden" Psychiater bist, ist das soge­nannte ärztliche Gespräch. Dabei zeigen die Ärzte mal Verständnis für deine Situation und bieten dir Hafterleichterungen, Zigaretten usw. an und im nächsten Moment drohen sie damit, nichts für dich tun zu wollen oder dich, wenn du nicht mitarbeitest, ins nächste Irrenhaus zu stecken. Mit diesem „Zuckerbrot und Peitsche", mit dieser Zweigleisigkeit (oder „Double-Bind-Technik") wollen sie verhindern, daß du dich wehrst und Abwehrmechanismen aufbaust, die du brauchst, um zu überleben. Mit Hilfe dieser Gesprächstechnik kann ein geschulter Psychiater oder Psycho­loge erreichen, daß du gar nicht mehr weißt, weshalb du untersucht werden sollst, weshalb du im Knast bist und weshalb du gegen die Haft und gegen die Knastärzte bist. Sie wollen damit erreichen, daß du letztlich erzählst, was dir gerade so in den Sinn kommt, du dich gar nicht mehr an Einzel­heiten, bestimmte Fragen, bestimmte Aussagen oder ihre Bedeutung entsinnen kannst und schließlich dem Psychiater völlig vertrauen mußt — ihm ausgeliefert bist. Eine ähnliche Wirkung kann auch mit Hilfe der Isolation (oder auch der Androhung von Isolation) erreicht werden. In der Isolation werden dir alle äußeren Reize weggenommen (Licht, Geräusche, Gerüche, fühlbare Gegenstände, Wärme, Kälte, Gespräche, gemeinsame Erlebnisse und schließlich auch die Kontrolle deiner Gedanken), so daß du für jede kleine Erleichterung ungeheuer dankbar bist und Todesangst vor jeder neuen Bestrafung und Isolation entwickelst. Du bist nicht mehr du selbst, sondern abhängig von der Knastmaschinerie. Was du dagegen machen kannst, haben wir schon oben beschrieben (vergl. Abschnitt 4.2.): Gedan­kenspiele, dich zwingen, bestimmte Sachen durchzudenken, dir auszu­malen und zu träumen, wobei du selbst bestimmst, was du dir einbildest oder träumst; autogenes Training, Körpenraimng usw.

"Der-Einsatz von Psychopharmaka"

Eine weitere Methode zur „Heilung" oder „Besserung", das heißt also zur Anpassung an das sogenannte Normale, ist die Gabe von Psychophar­maka, Medikamenten die den Gehirnstoffwechsel beeinflussen, dich müde, erregt, abgespannt, gehemmt, froh und hoffungsvoll machen können. Die Ärzte setzen diese Medikamente gern ein, damit du ruhig und angepaßt bist (es sieht viel „menschlicher" aus, wenn dein Gehirn und dein Haß nicht mehr richtig funktionieren, als wenn man dich weichprügeln würde) oder auch, damit sie beweisen können, wie krank und behandlungs-bedürftig du doch eigentlich bist. Manche Medikamente wirken so, daß du das Gefühl hast, ständig benebelt zu sein, dich nicht mehr kontrollieren zu können, oder aber du fühlst dich ständig gehetzt und getrieben oder aber du bekommst Wahnvorstellungen. (Die Psychopharmaka werden in einem besonderen Kapitel 21. „Medikamente" besprochen).

Zur Möglichkeit, die psychiatrische Untersuchung zu verweigern, schreibt ein Gefangener aus eigener Erfahrung:

Zur Erstellung des Gutachtens, also der Psychatrisierung, benötigen die Ärzte das Vertrauen der "Patienten" - um das Vertrauen sind sie auch ständig bemüht, sie sind auf die Mitarbeit der „Patienten" angewiesen. Das Vertrauen ist ihr stärkster Punkt, aber auch ihr schwächster, denn ohne Vertrauen und Mitarbeit der „Patienten" sind die Ärzte ziemlich hilflos, sie müssen den „Patienten" entlassen oder aber sie greifen zu Gewalt (Zwangsinjektionen von Psychopharmaka etc.). Widerstand gegen eine drohende Psychiatrisierung kann also nur heißen: sich weigern mit ihnen zu sprechen, sich weigern an den Tests und der­gleichen teilzunehmen. Auch sonst immer klar machen, daß man kein Ver­trauen zu ihnen hat und nicht bereit ist, mit denen zu arbeiten. Damit die Weigerung mit ihnen zu reden nicht als Symptom betrachtet wird, ist es vielleicht gut, anfangs eine kurze Erklärung abzugeben, kurz und bündig betonen, daß kein Vertrauen besteht. Fertig. Natürlich versuchen sich die Ärzte anzubiedern, versuchen das Vertrauen wieder herzustellen. Vorsicht auch vor den Pflegern, die neuerdings einen auf „progressiv" bringen, um das Vertrauen der Patienten zu erschleichen. Ebenso die Krankenschwestern. Auf einer Beobachtungsstation, Wachsaal werden die Inhalte der Gespräche mit den Pflegern und Krankenschwe­stern dem Arzt weitergegeben und er verwendet sie für eine eventuelle Psy­chiatrisierung der „Patienten". Wären sie alle wirklich —wie sie beteuern — „auf deiner Seite", so müßten sie dein Verhalten, deine Verweigerung erst recht akzeptieren. Wenn du z.B. wegen Drogen untersucht werden sollst, kann die Situation dann so aussehen:

Oberarzt: Herr S, ich habe gerade mit Ihrem Staatsanwalt telefoniert, Wegen Ihrer Drogenabhängigkeit und Ihrer Vorstrafen ist er der Ansicht, daß der Paragraph 64 (StGB, Unterbringung in eine Entziehungsanstalt) angebracht wäre. Nun, was halten Sie davon? Oder wollen Sie mal von sich aus etwas zu Ihrer Drogenkarriere sagen?
S.: Hören Sie mal zu, ich habe schon einige Erfahrungen mit staatlichen Verwahrhäusern. Ich habe keine Lust dazu, euer Versuchskaninchen zu sein. Zieht eure Versuche ohne mich durch. Von meiner Seite besteht kein Ver­trauensverhältnis zu euch und deshalb werde ich mich weigern, mit euch zu reden, Tests mitzumachen oder sonst einen Kram. Wenn der Staatsanwalt meint, daß ich eine strafbare Handlung gemacht habe, so soll er mich ein-knasten lassen. Knast ist mir lieber als Irrenhaus — man steht dort nicht unter totaler Kontrolle und läuft keine Gefahr, mit euren Psychopillen verrückt ge­macht zu werden!
Oberarzt: Ich verstehe zwar nicht, warum Sie kein Vertrauen zu uns haben. Wir wollen Ihnen ja nur helfen, und außerdem, -wenn der Staatsanwalt die Einweisung anstrebt ist es noch lange nicht gesagt, daß wir dem zustimmen. (Sie versuchen immer zu betonen, daß sie unabhängig sind, und man ruhig Vertrauen zu ihnen haben kann. Das Gegenteil ist der Fall!)
Oberarzt: Aber das ist natürlich Ihre Sache, ob Sie mit uns sprechen wollen oder nicht, keiner kann Sie dazu zwingen. Ich werde dem Staatsanwalt schreiben, daß sie nicht gewillt sind eine Therapie zu machen und mit Ihrer bisherigen Lebensweise Schluß zu machen.
S.: Auf was wollen Sie das stützen? Weil ich kein Vertrauen zu Ihnen habe?
Oberarzt: Ich nehme an, daß der Staatsanwalt einen Haftbefehl erläßt. (Ein Versuch der Einschüchterung).
S.: Besser als in der Klappsmühle.
Oberarzt: Gut, ich werde dem Staatsanwalt sagen , daß Sie das Gefängnis vorziehen. Sie können dann jetzt gehen.
S.: Falls ich in spätestens 14 Tagen hier nicht weg bin, gehe ich in den Hungerstreik.

Damit war der Fall für mich erledigt. Mein Rechtsanwalt stellte noch zusätzlich einen Antrag, in dem er betonte, daß mein körperlicher Entzug vorbei sei, und ich nichts weiter dort verloren hätte. 10 Tage später wurde mein Unterbringungsbefehl in einen Haftbefehl umgewandelt. Und bei der nächsten Haftprüfung wurde ich entlassen. Etliche Fixer, die ich kenne, hatten eine unheimliche Angst vor dem Knast und stellten sich mit den Ärzten gut. Sie sind zum Teil noch heute in der Psychiatrie.

19.1.

(Da der folgende Themenkomplex unabhängig von dem in diesem Kapitel vorab beschriebenen bearbeitet wurde und eine in sich geschlossene Abhandlung darstellt, wird sich die ein oder andere Information wiederholen.)

Einleitung

Das Kapitel " Psychiatrisierung über den Krankheitsbegriff beschäftigt sich mit der Bedeutung der Klapse in dieser Gesellschaft und der sog "Behandlung" der dort internierten Menschen. Wie Justiz und Psychiatrie zusammenwirken, dem gleichen Ziel dienen sollen, versuchen wir im 2. Kapitel darzustellen. Unterpunkte sind das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) sowie der Ausbau von Drogenknästen und sogenannten Drogenkliniken. Ob du im Knast oder in der Klapse landest, hängt oft von einer Person ab: dem/der Gutachter_in. Deshalb haben wir im 3. Kapitel alles zusammengestellt, was du wissen solltest, wenn du mit ihm/ihr zu tun hast. Im 4. Kapitel versuchen wir noch einmal detailliert zu schildern, was es heißt, als Drogenabhängige_r im Knast zu sein und dort auch noch "Therapie" zu machen; und im 5. Kapitel geht es darum darzustellen, welche Möglichkeiten der Verweigerung von Zwangstherapien es gibt, sowie Strategien bzw. Techniken ohne § 35 BtMG aus dem Knast zu kommen bzw. in zu überstehen.

19.1.1. Zur Psychiatrisierung über den Krankeitsbegriff

Dass Menschen, die ein Gesellschaftssystem in verschiedenster Art und Weise "stören", als "krank" bezeichnet werden, ist sicher kein neues Phänomen. Auch nicht, dass Zwangsmedikamentierung, sofern sie aus Gefängnissen und Psychatrien anderer Staaten bekannt wird, durchaus angeklagt wird, im eigenen Land aber als eine von vielen Behandlungsmethoden gilt, um den kranken Menschen, sprich: Störfaktor, zu heilen (z.B. mit Haldol). Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erlangt der psychiatrische Sektor kaum. Auffallend ist die Tendenz, den Krankheitsbegriff, der sich im psychiatrischen Bereich gerade im Zusammenhang mit Entmündigung und Hospitalisierung sehr bewährt hat, auf andere Bereiche, also z.B. Knast (Behandlungsvollzug!) zu übertragen. Worin aber liegen Sinn und Erfolg dieser Methode, alle Formen des Unangepasstseins - von Verweigerung bis Widerstand gegen Funktionieren im Sinne dieses Staates - als krank zu bezeichnen? Zunächst einmal schränkt sie ganz klar die Solidarisierungsmöglichkeiten ein. Basierend auf der These, die "Krankheit" sei Resultat ganz persönlicher Geschichte des_der Einzelnen, also nur Ergebnis individueller Sozialisationsverläufe oder gar "vererbt" (mit der Erbtheorie haben wir ja speziell in Deutschland einige Erfahrung), wird jeglicher gesellschaftlicher Zusammenhang geleugnet. So kommt wohl Mitleid/Verständnis mit diesen ach so armen Menschen auf, denen das Schicksal so hart mitgespielt hat - aber ganz entscheidend: jeder Mensch wird nur in seiner ganz individuellen Geschichte gesehen, die er mit keinem anderen teilt. "Behandelt wird also immer das Resultat (das Symptom) der individuellen Geschichte - hier fühlen sich sodann Laienhelferkreise und Patientenklubs gefordert, die beim gemütlichen Kaffeetrinken beisammen sitzen, ehrenamtliche Betreuer_innen spielen und sich bemühen, die individuellen Folgen des Lebens in diesem Staat beseitigen zu helfen. Unbeachtet bleibt, dass gerade dieses System die Ursache für die verschiedenen Formen der Verweigerung und des Widerstands ist, also nicht Mitleid und Verständinis, sondern eine grundsätzliche Solidarisierung mit denen angesagt ist, die so oder so durch das "soziale Netz" gefallen sind, eine Unterstützung ihrer Gegenwehr gegen das, was sie kaputt macht. Wie oben bereits angedeutet, dient die Diagnose "individuelle Krankheit" auch dazu, von der grundsätzlichen Krankheit des Systems abzulenken, die Aufmerksamkeit soll von der Ursache auf die Wirkung gelenkt werden. Ein weiterer und nicht zu unterschätzender Sinn dieser Methode liegt darin, die Betroffenen dazu zu bringen, sich selbst als "krank" zu begreifen. So wird ihnen dies über einen langen Zeitraum hinweg mit Hilfe verschiedener subtiler "Behandlungsmethoden" eingeredet. Hierzu dienen einschlägige sanfte Maßnahmen: keine offene Gewalt, d.h. jedenfalls keine sichtbare, direkt spürbare, sofort offensichtliche Gewalt; also: Medikamente, Gespräche, Zuwendungen und kleine Sanktionen, alles freundlich un therapeutisch begründet. So wird der_die Einzelne abgelenkt von den gesellschaftlichen Ursachen seines_ihres Schicksals (also auch des "Psychiatrisiert-Seins"), bis nur noch das eigene persönlich "Unglück" oder gar "Versagen" sehen. Wer dadurch noch nicht das gewünschte "bewusstlose" Objekt wird, das die führende Hand der Psychiater_innen braucht, wer noch sein Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl gewahrt hat (sich einfach nicht für dumm verkaufen lassen will), in dessen Fall wird zu den gewaltsamen Disziplinarmaßnahmen, wie Isozellen, Bunker, Fixiergurte, körperliche Misshandlung, Betonspritzen etc. gegriffen. Zwar sollen die Behandlungsmethoden sauber und undurchsichtig - für drinnen und für draußen - sein, doch selbst die offenen Gewaltmaßnahmen sind über den Krankheitsbegriff noch zu rechtfertigen; Schlagworte wie Krankheituneinsichtigkeit, Schutz der Patienten vor sich selbst, usw. sind ja hinlänglich bekannt. Wichtig ist auch der Aspekt, dass es in der Psychiatrie keine offiziellen "Versagensquoten" gibt. D.h. z.B., dass Selbstmord in der Psychiatrie eben auf die bei den jeweiligen "Patient_innen" bereits vorhandenen "Krankheiten" zurückgeführt wird; deren angebliches Vorhandensein verdeckt den Blick auf die tatsächlichen Ursachen des Selbstmords, nämlich den zerstörerischen "Lebensbedingungen" sowohl in der Psychiatrie als auch draußen. Im offiziellen Jargon wird ein solcher Selbstmord als "bedauerlich" bezeichnet und zynisch darauf zurückgeführt, dass der_die Betroffene eben noch nicht lange genung in "Behandlung" war. Um derartigen "selbstzerstörerischen" Handlungen also "vorzubeugen", werden die Menschen in der Psychiatrie oft rund um die Uhr "ruhiggestellt", d.h. mit Psychopillen und Nervengiften (von den Medizinern beschönigend Psychopharmaka und Neuroleptika genannt)vollgeknallt (diese Form der Zwangsbehandlung ist seit 1985 auch legal). Voll zugedröhnt sind die so Behandelten gefühls- und willenlose Wesen, deren einziges Interesse es - dank der suchterzeugenden Komponente der "kleinen bunten Helfer" - nach einiger Zeit ist, ausreichende Mengen der Psychodrogen zu ergattern. So wird es Vielen immer gleichgültiger, ob sie in der Klapse sind oder nicht. Ein weiterer "Vorteil" der Psychiatrie liegt in der Möglichkeit, Menschen dort auf unbegrenzte Zeit zu internieren - der richtige Entlassungszeitpunkt ist gekommen, wenn "Heilung" festgestellt wird.Und da sind die Psycho-Schließer sehr erfinderisch und phantasievoll... Nach Psychiatrieregeln einzufahren ist sogar noch einfacher als nach dem Strafvollzugsgesetz, da diese schwammig genug definiert sind, um den Handlangern der Herrschenden zu ermöglichen, sie auf fast jeden anzuwenden. Tatsächlich gerät jeder dritte Bundesbürger irgendwann im Laufe seines Lebens in den Machtbereich der Psychiatrie - ambulant oder stationär, freiwillig oder zwangsweise.

Je stärker nun die Definition des Andersseins als Kranksein auch auf den Knast übertragen wird, desto mehr setzt sich die Strategie des "Behandlungsvollszugs" durch. Die Gewalt wird subtiler, das Feindbild verwischt sich - statt des Rollkommandos steht ein/e sanft lächelnde/r Prsycholog/in in der Zelle, der/die sich deine Probleme anhört, deine Kindheit analysiert und dir genau erklären kann, warum es gut für dich ist, hier zu sein, eine Chance der Veränderung eben. Arbeitest du brav und willig am Therapieprogramm mit, winken dir vorzeitige Entlassung und die anderen Bonbons, die die Justiz and Angepasste so verteilt - lehnst du es ab, dich dieser Zwangstherapie zu unterwerfen, bist du eben "krankheitsuneinsichtig" und begreifst nicht, dass alle schließlich nur dein Bestes wollen. Diese Einsicht muss dir dann eben mit Gewalt vermittelt werden. Schon jetzt ist es ja neben den altbekannten gewaltsamen Disziplinierungsmaßnahmen üblich, sogenannte "Störer" vom Knast in die Klapse zu verlegen, in Berlin-Tegel gibt's der Einfachheit halber schon 'ne eigene psychiatrisch/neurologische Abteilung. Nun noch ein eigenes zur medikamentösen Behandlung, der du mit einiger Sicherheit in die Psychiatrie oder auf psychiatrisch/neurologischen Abteilung. Nun noch einiges zur medikamentösen Behandlung, der du mit einiger Sicherheit in der Psychiatrie oder auf psychiatrisch/neurologischen Abteilung (PN-Station) eines Knastes ausgesetzt bist. Die am häufigsten verwendeten Mittel wie Haldol, Glianimon, Lyogen, Neurocil, Dapotum, Akineton, Melleril, Fluaxol, Taxilan, Atosil, Imap, Apponal usw. - es kommen übrigens auch immer neue Pillen mit anderem Namen aber gleichen Wirkstoffen auf den Markt - haben eines gemeinsam: Sie sind absolut ungesund, krankmachend, schädlich. Psychopharmaka greifen die irnorganischen Stoffwechselvorgänge an und führen zu körperlichen, psychischen, unter Umständen auch hirnorganischen Schäden. Die dadurch hervorgerufenen Veränderungen deines Verhaltens gelten dann aber gerade als Beweis für deine Geisteskrankheit. Von einem bekannten Psychiatrieprof (Helmchen, FU Berlin)wurde die Belastung des Organismus durch eine Dauertherapie mit Psychopharmaka den Auswirkungen des chronischen Alkohlolismus gleichgestellt (was noch untertrieben sein dürfte). Konkret tauchen folgende körperliche Schäden als "Nebenwirkungen" der Medikamente auf: Zerstörung der weißen Blutkörperchen, Leber- und Gallenschäden, Hautkrankheiten, Krampfanfälle, Krebs, Lähmungserscheinungen, optische und akustische Verzerrungen, Menstruationsbeschwerden, erhöhte Missbildungsgefahr bei Schwangerschaften, Impotenz, Beeinflussung des Stammhirns in Form von Parkinsonismus (mimische Starre, Krampf der Rückenmuskulatur, Vorstrecken der Zunge, Schmatzen, Speichelfluss, Sprachstörungen, Streckkrämpfe, unwillkürliche Bewegungen, Zittern der Hände und Füße, Sitzunruhe) - diese Symptome treten vor allem nach Haldol-Einnahme bzw. - Verabreichung auf. Als Gegenmittel wird dann Akineton gegeben, wodurch wieder neue Nebenwirkungen wie Verstopfung, Harnverhaltung, Verwirrtheitszustände, Schlafstörungen, Unruhe, Kreislauf und Herzrythmusstörungen dazu kommen. Zu den körperlichen Schädigungen kommen dann noch die psychischen, als da sind Verwirrtheit, Benommenheit, Bewusstseinsstörungen, vegetative Krisen, Delirien, Depressionen, Selbsttötung, Entzugserscheinungen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass Psychopharmaka nur ein Symptom "heilen", an die Ursachen natürlich nicht herankommen, sondern vielmehr verhindern, dass du dich mit deinem Ausflippen, deiner Traurigkeit oder was auch immer auseinandersetzt - und das sie außerdem echte Krankheit erzeugen. Gilt die Behandlung als abgeschlossen setzen oft die alten "Krankheitssymptome" wieder ein, und du wirst aufs Neue behandelt. So kommt es zur sogenannten "Drehtürpsychiatrie". Das ganze lässt nur einen Schluss zu: Lass dich nicht "ruhigstellen"! Das ist nicht immer so einfach, da, wie erwähnt, die Zwangsbehandlung nach § 30 Abs.2 PsychKG (unaufschiebbare Behandlungsmaßnahmen hat der Kranke zu dulden) 1985 legalisiert wurde. Wenn du in der Klapse landest, gib vor allem keine Unterschriften bei der Einlieferung ab. Du sollst da oft pauschal unterschreiben, dass du dich dem Behandlungsprogramm unterwirfst und am Therapieprogramm, dazu gehört auch die medikamentöse Therapie, mitarbeitest. Statt dessen solltest du gleich einleitend schriftlich und im Beisein eines Zeugen deine Zustimmung zur Behandlung mit Psychopharmaka und Neuroleptika verweigern. Eine Kopie davon schickst du dann deiner/m Anwalt_in. Wirst du trotzdem abgefüllt, ist das Körperverletzung; wirst du durch Drohungen dazu gezwungen, ist das Nötigung, wogegen du Strafantrag stellen kannst. Der_die Psychiater_in muss dann erstmal beweisen, dass es sich um eine "unaufschiebbare Maßnahme" handelte. Trotzdem wird er in der Regel vor Gericht recht kriegen, denn du bist ja verrückt und wohl krankheitsuneinsichtig. Wenn dein_e behandelnde_r Arzt/Ärztin von vorneherein ablehnend deiner Medikamenten-Verweigerung gegenüber steht ("aber Sie müssen das nehemen, sonst müssen wir Sie auf die Geschlossene verlegen, sonst wird die Krankheit schlimmer, Sie werden sich danach besser fühlen"), wenn er_sie solche Äußerungen ablässt und du dich einer Zwangsbehandlung, die meist mit Gewalt (Fixierung) einhergeht, nicht aussetzen willst, kannst du dich auch nach außen hin bereit erklären, ein paar der Medikamente zu nehmen. Versuche die Dosis mit Ärzt_innen so gering wie möglich auszuhandeln, und bestehe auf Tablettenform, weil du Saft oder Spritzen nicht verträgst oder sowas. Die Tabletten kannst du dann unter der Zunge behalten und in einem unbeobachteten Moment wegschmeißen. Dreh sie nicht anderen Leidensgenoss_innen an. Es gibt Leute in der Klapse, besonders ältere, die schon länger drinsitzen, die ganz wild auf die Dinger sind. Eine andere Möglichkeit, gegen die Medikamenteneinnahme zu argumentieren, ist die Bestellung eines Gegengutachtens, was allerdings einiges kostet. Die einzelnen Anti-Psychiatriegruppen haben oft eine Liste von Gutachter_innen, die dich unterstützen können. Dritter und ganz wichtiger Punkt: Nichts ohne Anwalt oder Absprache mit diesem unternehmen, da dir alles und jedes als krankheitsbedingt ausgelegt werden kann. Unter Umständen kriegst du dann ganz schnell eine Pflegschaft oder Vormundschaft angehängt und hast überhaupt keine Selbstbestimmungsmöglichkeit mehr. In der Drogenklinik Frohnau (Berlin) wurde ein Typ als "pathologischer Schreiberling" bezeichnet, weil er versuchte, durch Briefe an Knastgruppen, Psychiatriegruppen, Radio und Zeitungen die Öffentlichkeit auf die üblen Geschichten, die dort ablaufen, aufmerksam zu machen. Sogenannte Psychiatrie-Anwälte, die die Tricks, Sprache und Methoden der Psychiater kennen, werden ebenso wie Gegengutachter von Anti-Psychiatriegruppen vermittelt. Da es von drinnen schwer ist, da ran zu kommen, bevollmächtige am besten eine Vertrauensperson damit, dir einen guten Anwalt zu besorgen. Du musst davon ausgehen, dass dort, wo Psychiatrieregeln herrschen, deine Grundrechte erheblich eingeschränkter sind als im Knast. Einige Beispiele dazu: § 33 - das Besuchsrecht darf eingeschränkt werden, wenn gesundheitliche Nachteile für dich entstehen können oder die Sicherheit der Einrichtung erheblich gefährdet wird. Mit der gleichen Begründung kann eingeschränkt werden: dein Recht auf persönliche Gegenstände (PsychKG § 31), dein Recht auf Schriftwechsel und telefonieren (§§ 34 und 35). Das Ganze liegt in den Händen der Ärzte und Psychiater. Wenn du im Maßregelvollzug (nach §§ 63 oder 64 StGB)drinhängst, gibt es eine Möglichkeit früher wieder rauszukommen, nämlich die Aussetzung der Maßregel zur Bewährung und Führungsaufsicht. Du beantragst mit deinem/r Anwält_in beim Amtsgericht die Einrichtung einer Pflegschaft und schlägst als Pfleger_in eine Person deines Vertrauens vor. Pfleger_in kann jede_r sein. Das Gericht wird eher zur Aussetzung der Maßregel bereit sein, wenn jemand da ist der_die sich um dich "kümmert". Selbst wenn du die Auflage bekommst noch eine Weile in der Klapse zu bleiben, regelt dein_e Pfleger_in für dich Ausgang, Urlaub oder z.B. die Behandlungsform. Ist der/die Pfleger_in also jemand der/die sich nach deinen Wünschen richtet, kannst du dir einige Erleichterungen verschaffen. Bist du dann draußen, kannst du nach einer Weile (ca. einem Jahr) beim Amtsgericht beantragen, dass die Pflegschaft abgesetzt wird, weil sie überflüssig geworden ist und du inzwischen allein klar kommst. Gut sind dafür irgendwelche Beweismittel, Gegengutachten oder Zeugen. Das Ganze ist nicht ohne Risiko, denn du kannst auch gleich eine_n Amtspfleger_in vorgesetzt kriegen oder dein_e Pfleger_in wird spätestens dann von von dem/der Amtspfleger_in abgelöst, wenn die Ärzt_innen meinen, er/sie würde nun wirklich zu weit gehen. Amtspfleger_innen kannst du in der Regel vergessen. Sie haben etwa 300 "Fälle" wie dich und regeln dein Leben vom Schreibtisch aus. Der Einfachheit halber geben sie fast immer den Ärzt_innen recht.Beschwerden über die Pfleger_innen oder den Pfleger_innenwechsel sind über das Amtsgericht möglich, aber selten erfolgreich. Noch einmal zurück zu den Medikamenten: Bist du erstmal längere Zeit damit "behandelt" worden, ergibt sich das Problem der Absetzung, sobald du dem psychiatrischen Machtbereich entkommen bist, denn einige dieser Mittel machen durchaus abhängig. Ein Absetzen kann 1. Entzugserscheinungen (Schlafstörungen, Herzjagen, Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche usw.) und 2. ein Wieder-Hochkommen deiner "Verrücktheit" hervorbringen. Die unangenehmen Auswirkungen dieser Faktoren können dazu führen, dass dein Psychiater und auch du denken, dass du ohne diese Medikamente nicht mehr gesund/normal existieren kannst und eine "Dauertherapie" benötigst. Das ist den Firmen Sandoz, Janssen, Bayer und Schering usw. natürlich nur recht. Du verdienst allerdings nicht daran. Die Entzugserscheinungen treten natürlich nicht immer direkt nach dem Absetzen auf, sondern je nach vorausgegangener Dosis und Dauer oft auch erst ein bis zwei Wochen später, wenn das Medikamenten-Depot abgebaut ist.Die Schwierigkeit des Medikamententzugs ist von mehreren Faktoren abhängig: Art, Dosis und Einnahmedauer des Medikaments, deine allgemeine Gesundheit und deine Einstellung zum Entzug, die Qualität der Unterstützung, die du während des Entzugs erhälst, deine Kenntnis des Entzugsprozesses. Das Ganze ist zu überstehen, und wahrscheinlich geht es dir anschließend besser als mit den Medikamenten. In der Klapse selbst stellt sich das Problem des Entzugs meist nicht, da du entweder vor der Entlassung langsam runterdosiert wirst oder draussen ambulant weiter behandelt werden sollst und auf voller Dosis entlassen wirst. Allerdings hast du wie bei der heimlichen Medikamentenverweigerung auch die Möglichkeit, in der Klapse heimlich die Pillen abzusetzen. Bei Depot-Verabreichung und Spritzen hast du diese Möglichkeit nicht. Versuche also am Besten von vorneherein zu verweigern, denn du brauchst einen klaren Kopf, um die vielen psychiatrischen Überwachungs- und Steuerungsmechanismen zu durchschauen, ihnen zu widerstehen, bzw. dich dagegen zu wehren. Anschließend noch kurz zur Zuständigkeit Klapse/Knast: unter das Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) fällst du in jedem Fall, wenn du im Maßregelvollzug (nach § 63 oder 64 StGB und § 126 a StPO) untergebracht bist. Ebenso, wenn du, ohne eine Straftat begangen zu haben, in die Klapse einfährst. Auf der PN-Abteilung und wenn du während einer Haftstrafe in die Klapse kommst, weil du vielleicht in deiner Zelle ausgetickt bist, unterliegst du dem Strafvollzugsgesetz, wobei die Behandlungsaspekte, d.h. die Meinung der Ärzte mitunter Vorrang haben. Entscheidend, z.B. über deine Aufenthaltsdauer in der Klapse, bleibt aber der/die Justizsenator_in.

19.1.2. Verbindung von Psychatrie und Justiz - Justiz und Psychatrie

Das Bestehen des Staates darauf, dass die Leute krank sind und nicht etwa der Staat, setzt sich natürlich auch in der Drogenarbeit fort. Hier gibt es ja in den meisten Therapien eine_n ärztliche_n Leiter_in (wobei die Betonungauf Leiter_in und nicht auf Mitarbeiter_in liegt), sie werden vermehrt von den Landesversicherungskassen bezahlt, d.h. die Voraussetzung der Finanzierung ist das Vorliegen einer KRankheit. Auch wenn das Sozialamt die Kosten übernimmt, geschieht das auf der Grundlage des § 39 BSHG und nicht etwa des § 72 BSHG. Und der Staat ist nun der Auffassung, dass KRanke gezwungen werden müssen, wieder gesund zu werden. Dafür setzt er eine breite Palette von zwangstherapeutischen Maßnahmen ein.
Grundlage hierfür ist:

1. Das BtMG,

das 1982 verändert wurde, so dass jetzt grundsätzlich höhere Strafen ausgesprochen werden. Das Kronzeugenprinzip ist jetzt juristisch verankert und durch den § 35 BtMG ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Therapie und Justiz festgeschrieben. Ergänzt wird dies noch mit dem § 36 BtMG, der eine Gleichstellung zwischen Therapie und Knast bedeutet. Inhaltlich heißt das, dass die Therapien gezwungen werden, einen Therapieabbruch der Staatsanwaltschaft zu melden. Ob eine Stunde oder eine Woche später hängt wohl von der Therapie ab, ist aber für den Fakt der grundsätzlichen Zusammenarbeit unbedeutend. Die Therapien müssen auch Gutachten bzw. Zwischenberichte über ihre sogenannten Klient_inn_en erstellen, damit die Staatsanwaltschaft über den Entwicklungsstand des_der Drogenabhängigen einigermaßen Bescheid weiß.
Nachdem die Therapien dies ohne nennenswerten Widerstand (von Ausnahmen mal abgesehen) zuließen, merkten sie natürlich auch irgendwann, dass sich ihre Arbeitsgrundlage, die Annahme, dass der_die Drogenabhängige die Therapie auch machen will, nicht merh halten ließ. Das führte bei vielen Therapien zur Veränderung der Konzeption. MAl fiel das Aufnahmegespräch weg, mal wurde eineMotivationsstufe eingeführt usw. Immer aber hatte es zur Folge, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Justiz größer wurde, da bis zu 100 % der Drogenabhängigen auf der Grundlage des Knastdrucks in die Therapie kommen.

Diese Abhängigkeit bringt natürlich auch inhaltliche Veränderungen in den Therapien mit sich. War man früher einmal davon ausgegangen, dass Menschen in den Therapien lernen sollen, ohne Drogen zu leben, zählt jetzt das Verweilen in der Therapie. Denn das Verlassen der Einrichtung zieht einen neuen Haftbefehl nach sich. Dies ist nur ein Beispiel. Andere ließen sich anschließen.

Allgemein bekannt ist ja mittlerweile, dass nicht jede Therapie für jede_n Drogenabhängige_n geeignet ist, denn jede_r ist anders. Bei der Anwendung des Gesetzes fallen jetzt eine Reihe von Einrichtungen, die nicht nach dem § 35 BtMG anerkannt sind (weil sie z.B. keinen medizinischen Leiter haben oder nicht rückmelden wollen), als Therapiemöglichkeit weg. Es sind vor allem die ambulanten Programme, die in den seltesten Fällen anerkannt werden, dazu kommen 5-7 stationäre herapien wegen ihrer Weigerung, Abbrüche der Justiz rückzumelden. Allerdings gibts's auch zwischen den sogenannten 35er - Therapien erhebliche Unterschiede. Du solltest deshalb schon ziemlich aufpassen, für welche Therapie du dich entscheidest, welches Programm dir noch am besten gefällt, weil es häufig vorkommt, dass nach zwei Versuchen die unternommen wurden, um aus dem Knast zu kommen, du den Stempel des_Der Therapieresistenten angehängt bekommst. Das bedeutet, dass du für keine Therapie geeignet bist und desegen den Knast abmachen musst und/oder eine Zwangseinweisung droht bzw. ausgesprochen wird.

Der Ausbau von Drogenknästen bzw. Stationen in Psychatrien zu Drogenabteilungen

19.1.3.Gutachter

Ein Gutachten wird von der Staatsanwaltschaft oder deinem Anwalt/ deiner Anwältin beantragt; falls der Richter ein Gutachten für erforderlich hält, kann er den Prozess unterbrechen und es von sich aus beantragen. Der/ Die Gutachter_In macht sich anhand deiner Akte ein Bild von deiner Vorgeschichte. Dabei kann er/sie auch eventuell schon früher über dich erstellte Gutachten einbeziehen. Danach sucht er/ sie dich entweder in der Zelle auf oder lässt dich zu sich bringen. Neben einer körperlichen Untersuchung informiert er/ sie sich noch aus der Akte und Krankenakte deines derzeitigen Knastaufenthalts und versucht mit dir ein Gespräch über den Tathergang und deine Geschichte zu führen. Der/ Die Gutachter_In ist verpflichtet, dich darauf hinzuweisen, dass er/sie an keine Schweigepflicht gebunden ist – schon gar nicht gegenüber dem Gericht. An diese Verpflichtung wird er/sie sich aber in den seltensten Fällen halten. Diese Nicht-Schweigepflicht solltest du immer im Kopf haben, wenn du mit ihm/ihr sprichst, dir überlegen, was du sagst, bzw. ob es überhaupt sinnvoll ist, mit ihm/ihr zu reden. Zudem liegt in diesem Gutachten immer die Gefahr der Psychatrisierung:

§ 63 StGB Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

§ 64 StGB Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Klapse oder Drogenknast)

§ 65 StGB Unterbringung in einer sozial-therapeutischen Anstalt

§ 66 StGB Sicherheitsverwahrung

Wurde das Gutachten nach § 81 StPO beantragt, wird eine Blutuntersuchung durchgeführt und du kannst bis zu 42 tagen zur Beobachtung in die Psychiatrie eingewiesen werden. Dort sollen eine Reihe von Gesprächen mit dem/der jeweiligen Gutachter_In stattfinden.

Es kann auch passieren, dass du statt eines Haftbefehls einen Unterbringungsbefehl bekommst oder dass der Haftbefehl entsprechend umgewandelt wird. Das ist auch noch während deiner U- Haft möglich. In diesem Fall bleibst du nach § 126 StPO bis zu deinem Termin in der Psychiatrie (Abt. forensische Psychiatrie). Zu dieser Maßnahme greifen sie in der Regel dann, wenn anzunehmen ist, dass du nach § 63 StGB verurteilt, also in der Psychiatrie untergebracht wirst. Bei „Straftaten im Zusammenhang mit Drogenabhängigkeit“ wird immer ein Gutachten erstellt. Wenn du den/die von der Staatsanwaltschaft bestellte_n Gutachter_In ablehnen willst, solltest du über deinen Anwalt/deine Anwältin eine_n Gutachter_In deiner Wahl beantragen und damit deine Ablehnung begründen. Im allgemeinen wird das Gericht den/die Gutachter_In der Staatsanwaltschaft oder eine_n eigene_n Gutachter_In wählen. Möglich ist auch, dass beide zugelassen werden. Es kann auf alle Fälle günstig sein, selbst eine_n Gutachter_In zu beantragen, falls sich das Urteil im wesentlichen auf das erstellte Gutachten stützt und du es anfechten willst. Weigerst du dich grundsätzlich an der Erstellung eines Gutachtens aktiv mitzuwirken, wird dieses aus der bisherigen Aktenlage erstellt (Ferngutachten). In Ausnahmefällen wird auch versucht, Informationen von beteiligten Personen (Eltern, Freunden etc.) einzuholen. In diesem Fall solltest du diese, wie auch in früheren Gutachten über dich aufgetauchte Personen, vorwarnen. Es kann auch passieren, dass der/die Gutachter_In – falls es mehrere Tatbeteiligte gab – über diese erstellte Gutachten einfach auf dich überträgt und sich diesen anschließt

Wird durch ein Gutachten deine Schuldunfähigkeit belegt, so ist der § 20 bindend für das Gericht. Es kommt zu einem Freispruch und du wirst in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Dies geschieht in der Regel nach § 63. Der § 63 bedeutet Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgrund einer „Persönlichkeitsstörung“ bzw. anderer Krankheitsbegriffe. Die Unterbringung ist zeitlich unbegrenzt, eine Überprüfung findet einmal jährlich statt, auf deinen Antrag schon früher. Liegt ein solches Gutachten vor, so beantrage auf jeden Fall ein Gegengutachten, das besagt, dass du zwar zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig warst, dies aber auf deinen jetzigen Zustand nicht mehr zutrifft.

Wirst du laut Gutachten für vermindert schuldfähig erklärt, da deine sogenannte Straftat im Zusammenhang mit einer Abhängigkeit stand, du also als Suchttäter giltst, liegt es im Ermessen des Gerichts, ob dieses Gutachten nach § 21 in das Urteil miteinbezogen wird. Dieser Paragraph ermöglicht es dem Gericht den § 64, beim dritten Mal auch den § 63 anzuwenden. Das Mindeststrafmaß sinkt in diesem Fall auf 1/4 und nach § 64 schließt sich die Unterbringung in einem Drogenknast oder der Klapse an. Der § 64 besagt, dass du in der Lage bist, das Unrecht deiner Tat einzusehen, wegen deiner Abhängigkeit aber nicht danach handeln kannst, also vermindert schuldfähig bist. Für dich bedeutet er die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Klapse oder Drogenknast), deren Dauer auf maximal zwei Jahre festgesetzt ist, die aber einmal um wiederum zwei Jahre verlängert werden kann. Eine gerichtliche Überprüfung findet alle sechs Monate oder auf deinen Antrag hin auch früher statt.


19.1.4. Drogenabhängige im Knast

Wenn du als BtMer_In im Knast registriet bist, d.h. deine Gefangenenakte einen BtM-Stempel hat, solltest du dich auf Folgendes vorbereiten:

1. Umkehrung der Beweislast

Du sitzt in Strafhaft, bist schon rechtskräftig verurteilt und trotzdem wirst du behandelt, als ob du noch immer ständig Straftaten begehst, sprich: mit Drogen handelst und/oder welche zu dir nimmst.

Diese pauschale Schuldvermitung, die bei allen Drogenabhängigen angewandt wird, hat zur Folge, dass das Strafvollzugsgesetz in den wesentlichen Punkten der Haftlockerungen wie z.B. Urlaub, Freigang u.ä. für Drogenabhängige erstmal außer Kraft gesetzt wird. Und das ist juristisch total abgesichert, wie das Urteil des OLG München vom 28.3.1980 zeigt:


"War ein Gefangener zur Zeit seiner Verhaftung heroinsüchtig, so begegnet die hieran anknüpfende Prognose wahrscheinlichen Mißbrauchs von Urlaub und Ausgang keinen rechtlichen Bedenken. Zu ihrer Begründung bedarf es insbesondere keines Urteils sachverständiger Ärzte. Vielmehr reicht die heute bereits als gesichert anzusehende Erfahrung, dass vornehmlich junge Personen den einmal ausgebildeten Hang zu harten Drogen (Heroin, Kokain) regelmäßig auch nach körperlichem Entzug verfallen bleiben, ihrer latenten, jederzeit auch durch scheinbar nichtige Anlässe aktualisierungsfähigen Suchtgefahr aus, eine solche Prognose zu stellen. Nur eine anschließende, strend kontrollierte Langzeitherapie scheint einige Erfolgsaussicht zu haben. Demenstprechend sind heroinsüchtige Straftäter auch nch längerer Inhaftierung noch als erheblich suchtgefährdet anzusehen und scheiden für Vollzugslockerungen, welche unkontrollierte Freiheitsräume außerhalb der geschlossenen Anstalt gewähren, generell aus"

Soweit das OLG München; d.h., wenn du als BtMer_In trotzdem irgendwelche Hafterleichterungen haben willst, musst du deine Unschuld beweisen, also dass du keine Drogen nimmst, nicht nur jetzt, sondern auch in der Zukunft keine Drogen mehr nimmst du dass du auch sonst ein rechtschaffender Mensch sein wirst. Das sollst du "beweisen". Und sie sagen dir auch wie: indem du an ihrem Behandlungsprogramm teilnimmst.

2. Behandlungsprogramme

Es gibr momentan keine Gefangenengruppe, die so extrem mit verschiedenen Konzepten und Modellen und einem ganzen Heer von Psychologen und Sozialarbeitern "behandelt" wird, wie die BtMer_Innen. Und der Behandlungsvollzug fängt nicht erst an, wenn die Gefangenen da sind, sondern er wird auch schon in die architektonische Planung von Knastbauten aufgenommen. So gab es schon bevor die erste Gefangene in die neue Frauenhaftanstalt Plötzensee (berlin) kam, je eine Station für unmotivierte, teilmotivierte und therapieunwillige Drogenabhängige.

Die einfachste Form des Behandlungsvollzugs ist es, wenn von dir nur Urinkontrollen (UK´s) verlangt werden. Urinkontrollprogramm heißt:

- Dein Urin kann auf alle Stoffe, also auch auf THC (Wirkstoff von Cannabis) untersucht werden.

- Deine Befunde kommen in die Gefangenenakte und bei positivem Befund kann die Staatsanwaltschaft zwecks neuem Verfahren (Verstoß gegen das BTM-Gesetz) benachrichtigt werden.

- Deine UK kann absichtlich oder irrtümlicherweise mit anderen vertauscht werden.

- ein Abbruch des Programms wird so interpretiert werden, dass du nun wieder Drogen nehmen willst.

Gefährlicher ist es, wenn das UK-Programm in ein Therapie- oder Motivierungskonzept eingebunden ist. Denn jetzt untersuchen sie nicht nur dein Urin, sondern wollen an deine Psyche ran. Im Soziolog_innen_en- und Psycholog_innen_endeutsch hört sich das folgendermaßen an:

"Die Behandlung von Inhaftierten und die spezifischen Sozialisationsmängel dieser Population legen einen Arbeitsansatz nahe, den man mit dem Begriff "induktive Methode" beschreiben kann. Dies heißt, dass zunächst die äußeren, objektiven, generellen und lauten Mängel und Störungen Gegenstand der Behandlungsarbeit sein sollten. Erst wenn mit diesem auf das Verhalten und Handeln abgestellten Zwang das Behandlungsziel nicht erreicht werden kann, soll sich die Behandlungsarbeit auf die inneren, subjektiven, speziellen und leisen Störungen einstellen. Im ersten Fall ist kriminell abweichendes Verhalten eine Folge von gravierenden Kenntnis- und Wissensmängeln. Entsprechend wird über Information und Beratung das Behandlungsziel zu erreichen versucht. Gelingt dies nicht (was für den Regelfall zutrifft), soll über lernen und trainieren (Schule, Beruf, soziale Kompetenz) die notwendige Sozialisierung erreicht werden. Es gibt jedoch eine große Zahl von früh- und nachhaltig gestörten Persönlichkeiten, denen über die genannten Methoden hinaus zusätzlich durch eine therapeutische Behandlung weitergeholfen werden muss" (aus dem Konzept der neuen Frauenhaftanstalt Plötzensee).

Oder aus dem Konzept der neuen Jugenstrafanstalt Plötzensee (Berlin):

"Sind die Jugendlichen erst einmal in die Institution aufgenommen, kann die eigentliche Arbeit beginnen. Vom Aufnahme- und Diagnosebereich erfolgt die Verlegung, in den für die Entwicklung des Gefangenen günstigsten Wohngruppentyp. Hier soll er, um der unentbehrlichen konstanten und kontinuierlichen Beziehung willen, von seinem Wohngruppenleiter bis zur Entlassung und im Bedarfsfall darüber hinaus, die notwendige Führung und Förderung erhalten. Der Vollzug ist in der Lage, den "Mangel seines Lebens" für den Jugendlichen auszugleichen, seine "Leistungsfähigkeit" zu fördern und ihn zu "sozialem Verhalten" zu befähigen, ihm seine "psychische Entwicklung" zu ermöglichen. Die jeweilige Wohngruppe "bietet ihm familiäre Verhältnisse" sowie cliquenähnlichen Freundschaften, seine Wohngruppenleiter das mütterliche Vertrauensverhältnis"

Du hast richtig verstanden, sie wollen nur dein Bestes und eigentlich solltest du es bedauern, dass du nicht schon "früher" in den Knast gekommen bist, somit hätte dir schon eher "geholfen werden können". Folgerichtig kannst du beobachten, dass die Therapie- und Drogenstationen die höchste Zahl von Sozialarbeiter_innen_n und Psycholog_innen_en haben. Egal ob in "deinem" Knast "nur" Einzel- und Gruppengespräche zum Programm gehören oder noch, "differenzierte Therapiemethoden" hinzugezogen werden, zentraler Punkt bleiben die Therapeut_innen_en selbst bzw. dein Verhältnis zu ihnen. Deswegen wollen wir das nochmal näher beleuchten.

Das wesentliche an der Funktion der Therapeut_innen_en und Sozialarbeiter_innen ist, dass sie eine totale Machtfunktion haben. Sie bestimmen entweder direkt selbst wie ein_e Anstaltsleiter_in über Besuche, Ausführung, Ausgang, Urlaub, Verlegung usw. oder indirekt (mit Hilfe ihrer gutachterlichern Stellungnahme) wie z.B. bei der 2/3 Entlassung oder dem § 25 BtMG. Damit stehst du aber als Gefangene_r in einer extremen Abhängigkeitssituation zu ihnen. Nichtsdestotrotz fordern sie von dir, dass du das dür eine Therapie erforderliche Vertrauen aufbringen sollst. Und das sind die gleichen Leute, die deine Therapiewilligkeit an deiner Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Knastpersonal festmachen, die über dich Gutachten, diagnostische Erhebungen, Therapieprotokolle und Aktenvermerke anlegen, über deren Inhalte du in der Regel nicht informiert wirst und die ohne dein Einverständnis ihre "Erkenntnisse" an dritte (z.B. Anstaltspersonal) weitergeben.

Machst du das zum Thema, sprichst du also mal die Unfreiheit des Knastes und den Zwangscharakter derartiger Therapieabläufe mit seinen Auswirkungen für dich im Gruppengespräch an, begründest also dein "mangelndes Vertrauen", verleugnen die Psycholog_innen_en und Sozialarbeiter_innen ganz einfach ihre Machtstellung.

Wenn´s dabei bliebe, wär´s ja ganz nett. Aber hier geht´s weiter. Sie werden anfangen, dir klarmachen zu wollen, dass es sich hierbei um deine ureigenste Vertrauensprobkematik handelt, um dein ureigenes Mißtrauen gegen Gott und die Welt, sprich: um deine Verschlossenheit. Alles zusammen wird dir dann z.B. als "leicht paranoide Realistätssicht" untersellt und natürlich, wie gesagt, schriftlich festgehalten. Durch ihre derart trickreichen Verdrehungen gelingt es ihnen, die Realität des Knastes und damit ihren eigenen MAchtanteil in diesem besonderen Machtverhältnis "wegzupsychologisieren". Die Anstaltspsycholog_innen_en in ihrer Funktion als Gutachter_innen tun also folgendes:

Sie projezieren die Strukturen deiner Knastsituation auf dich. Dies hat sicherlich damit zu tun, dass sie ihrem traurigen Dasein überhaupt einen scheinbaren Sinn geben müssen. Denn würden diese "Therapeut_innen_en" die Situation, in der die "Therapie" stattfindet, also im Knast, als Realität akzeptieren, würden sie die Zwänge des Knastes für sich bewusst wahrnehmen und diese mit dir reflektieren, so müssten sie - wenn sie nicht konsequenterweise gleich aufhören - die Brutalität, die das für dich als Gefangene_r bedeutet, verstehen. Aber statt dessen bilden sie sich allen Ernstes ein, aus den verschiedenen Verhaltensweisen der Gefangenen erkennen zu können, inwieweit diese motiviert sind, drogenfrei zu leben. Ein grotesker Vorgang, zur Willigkeit verurteilt zu sein und dann von Psycholog_innen_en beurteilt zu werden, ob man es jetzt auch wirklich ist. Natürlich findest du bei diesen Psycholog_innen_en auch keinen Widerstand gegen diese Form der Behandlung, sondern erlebst, dass sie diese Methode noch perfektionieren wollen. Ergebnis davon ist oft, dass du beginnst, dein Verhalten den Bedingungen anzupassen. Du lernst, das zu sagen, was die Psycholog_innen_en/Betreuer_innen hören wollen, da diese ja nun mal reichlich Macht über dich haben. Z.B. wirst du dich hüten, deine Unsicherheit oder Angst wieder rückfällig zu werden, anzusprechen, denn dein_e Psycholog_in_e würde das gleich als "mangelnde Drogenstabilität" vermerken, was einer vorzeitigen Entlassung oder auch nur der Genehmigung von Urlaub nicht gerade förderlich ist. Guckst du dir den ganzen Ablauf mal genauer an, wirst du erkennen, dass du dieses Spiel von der Scene her gut kennst, dass das von dir geforderte dasselbe ist, was du draußen tatest. Da, um unter den Bedingungen der Scene klarzukommen, hier unter den Bedingungen des Knastes klarzukommen. Konstant geblieben ist dabei, dass beides nichts mit deiner Person zu tun hat, mit deine Schwächen und Stärken, mit deiner Persönlichkeit.

Mit der Zeit bewirkt ein derartiger Ablauf den Verlust deiner Identität, da für dich der Unterschied zwischen echten und gespielten Gefühlen irgendwann verschwimmt. Irgendwann wirst du nicht mehr wissen, ob dein Gefühl nun echt ist oder nicht. Und dieses gilt dann nicht nur für die Zeit des Knastes, sondern auch für die Zeit nach deiner Entlassung, da solche Schäden dauerhaft bleiben. Es ist eindeutig feststellbar , dass Menschen nach einer Zwangstherapie erheblich größere Schwierigkeiten haben al dies schon vorher der Fall war.

Bei der Analyse des Verhältnisses Gefangene_r/Psycholog_in_e ist noch ein wesentlicher Aspekt unberücksichtigt geblieben. Dazu ein Gefangener:

"Den Anspruch, den die Psycholog_innen_en in Gruppengesprächen haben, ist, dass die Leute von sich erzählen , von ihren Bezügen untereinander, den kann ich einfach nicht erfüllen, weil ick weeß, dass das letztendlich ne juristische Einrichtung ist, und dass det einfach alles Polizist_innen_en sind. Weeßte, das sind alles Polizist_innen_en, die irgendwie immer, wenn sie sich in Teamsitzungen beraten, versuchen, ne Gruppenstruktur zu durchschauen, wissen wollen, wer wat mit Dope zu laufen hat, wer vielleicht welches mit reinbringt, wer mit wem macht, um mehr Kontrolle zu haben, um uns einfach mehr unter Kontrolle zu haben, wollen sie viel, so viel wie möglich von uns wissen; deswegen ooch ihr Wort: "Therapeutischer Anspruch", erzählt doch mal n bisschen von euch."

Kontrolle: Zentrale Funktion hat dabei der Wohngruppenvollzug. Die meisten Wohngruppen verfügen über 11-15 Plätze. In einigen Haftanstalten besteht die Möglichkeit diese jederzeit in kleinere Einheiten zu unterteilen, "falls eine optimale Trennung einzelner Gefangenengruppen dies erfordert" (Aus dem Konzept der neuen Frauenhaftanstalt Berlin). Kleine Gruppen sind in ihrer inneren Dynamik überschaubar und damit leicht steuerbar, eine Subkultur und gemeinsamer Widerstand gegen den Knast oder die Zwangstherapie kann eher erkannt werden und durch Verlegung oder gegeneinander Ausspielen frühzeitig zerschlagen werden.

Ein weiteres Mittel der Kontrolle ist das sog. Punkteprogramm, das auf fast allen Therapiestationen anzutreffen ist. Vorweg ist noch zu sagen, dass alle Behandlungsprogramme immer auch eine Beschäftigungstherapie (unter normalen Leuten auch "Arbeit" genannt) sowie ein gewisses Sport- und Freizeitangebot haben. Und "Punkteprogramm" musst du dir jetzt so vorstellen, dass dein gesamter Tagesablauf bewertet wird. Denn für alles (pünktliches Aufstehen, Sauberkeit der Zelle, Arbeitseifer und Leistung, Teilnahme an Therapiegesprächen und Freizeitgruppen, Körperpflege und Betragen) gibt es Punkte. Das Erreichen einer bestimmten Punktezahl dient hierbei als Gradmesser deiner Therapiewilligkeit. Und "Therapiewilligkeit" ist das Prädikat, das du brauchst, wenn du in den Genuss von Hafterleichterungen oder gar einer vorzeitigen Entlassung kommen willst. Wenn du das erreichen willst, musst du fleißig Punkte sammeln, denn wenn du auf deiner Station die wenigsten Punkte hast, wirst du bestimmt nicht als "sehr motiviert" oder "therapiewillig" zählen. Du kannst dir wahrscheinlich leicht vorstellen, dass dieses Punkteprogramm sher leicht zu einer Entsolidarisierung zwischen euch führt, weil es eine Wettbewerbsstimmung mit Konkurrenzcharakter schafft.

Kommt es dennoch mal zu Widerstand oder Verweigerung, gibt es verschiedene Strafen:

Punkteabzug, Einstufung in niedrigere Lohngruppen, Besuchsverbot, Einschluss, Bunker usw. usw.

Das ganze wird dir aber nicht immer als Bestrafung dargestellt, sondern es kann die auch als therapeutische Maßnahme (helfender Zwang) verkauft werden. So kommt der_die jugendliche Gefangene in der neuen Jugendhaftanstalt Plötzensee auch nicht in den Bunker, sondern in eine "Time-Out" Station, wo aus einer gewissen Distanz zu den anderen Gefangenen unter entsprechender Anleitung das schädliche Verhalten bearbeitet, korrigiert und eine Wiederaufnahme (auf der Stammstation) erreich werden kann" (aus dem neuen Konzept).

Bist du auf einer Therapiestation, musst du auch mit technischem und architektonischen Kontroll- und Überwachungseinrichtungen wie schalldichte Wände, fugenlose Bauteile, Sichtblende, Videokameras, Panoramaspiegel, Gegensprechanlage, Trennscheibe bei Besuch usw. rechnen. Der angebliche Grund für diese Schikanen ist, das Einbringen und Handeln mit Drogen zu verhindern.

3. Drogenabhängige im Normalvollzug

In den meisten Knästen sind die Therapieplätze begrenzt vorhanden und die Aufnahme erfolgt auf "freiwilliger" Basis. Demzufolge befindet sich noch die Mehrzahl aller BtM-Gefangenen im Normalvollzug. Auf eine Besonderheit haben wir schon hingewiesen; der Wegfall gleicher Haftbedingungen (s.o.). Aber es gibt noch weitere Punkte, in denen sich seine Situation wesentlich von der eine_r_s Nicht-BtMer_in_s unterscheidet.

Verfügbarkeit von Drogen

In den meisten Knästen ist es wie auf einer guten Scene. Es ist alles zu haben, wenn du bezahlen kannst. Entsprechend gibt es wie draußen Diebstahl, Erpressung, Prostitution und Dealen. Mit deiner Verhaftung wirst du von einer Drogenscene in die andere gezerrt; dennoch verbindet die Justiz mit deiner Verurteilung die Erwartung, dass du jetzt keine Drogen mehr nimmst - ein grotesker Vorgang.

Medizinische Versorgung

Wenn du auf Entzug bist und weil du bei langjährigem Drogenkonsum wahrscheinlich viele Folgeschäden hast, trifft dich die schlechte medizinische Versorgung im Knast besonders hart.

Materielle Situation

Auf Grund der Unfreiheit, Abhängigkeit und Erniedrigung, die jeder Gefangene erfährt, gewinnt der Besitz kleinster materieller Güter wie Tabak, Kaffee, Essen usw. eine extrem hohe Bedeutung. Da du in der Regel nicht über ein dickes Sparkonto verfügst und meistens auch keine Leute draußen kennst, die dir Kohle überweisen können, bist du als BtMer_in beschissener dran als andere. Kein Wunder, wenn du dich auf das spezialisierst, wo du dich am besten auskennst und wo du am schnellsten wieder zu was kommst: dem Dealen.


19.1.5. Möglichkeiten einer vorzeitigen Entlassung bei Drogendelikten

§ 35 BtMG oder Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 StGB mit Therapieauflage

Bist du im Zusammenhang mit Drogen eingefahren, unterliegst du einer Sondergesetzgebung, nämlich dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG).

Von sogenannten Vollzugslockerungen sind BtM-Gefangene in der Regel ausgeschlossen. Selbst die vorherige Teilnahme an speziellen (Behandlungs-) Programmen bietet keine Garantie, dass die damit verbundenen Zusagen, sprich: Urlaub oder Ausgänge, letztlich eingehalten werden. Alles spricht dafür, dass die erwähnten Programme nur der Kontrolle und Entsolidarisierung der Gefangenen sowie diversen Versuchszwecken dienen. Vorzeitige Entlassung ist meist nur über eine anschließende stationäre oder - seltener - ambulante Therapie zu erreichen.

Seit der Novellierung des BtM-Gesetzes 1982 gibt es das zweifelhafte "Therapei-statt-Strafe" Prinzip. Alle BtMer_innen, deren Knast nicht oder nicht mehr länger als zwei Jahre dauert, können seitdem, sofern sie einen nach § 35 anerkannten Therapieplatz nachweisen können, bei der zuständigen Staatsanwaltschaft einen Antrag auf "Zurückstellung der Strafvollstreckung zum Zweck der Therapie" stellen (§ 35 BtMG). Bis zur Entscheidung dauert es dann ungefähr acht Wochen, manchmal auch länger. Ablehnen kann die Staatsanwaltschaft alleine, zu einer positiven Entscheidung aber muss der Richter seine Zustimmung geben. In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, dass die Staatsanwaltschaft als weisungsgebundene Behörde dem Justizministerium unterstellt ist.

Den 35er im Zusammenhang mit einer ambulanten Therapie zu stellen, ist zwar möglich, vom Knast aus aber kaum durchzusetzen.

Hast du mit deinem Antrag Erfolg gehabt, kommst du vom Knast aus direkt in die Therapieeinrichtung und musst nun regelmäßig nachweisen, dass du dich dort auch tatsächlich aufhälst. Die Einrichtung ist wiederum verpflichtet, einen Abbruch oder Rauswurf innerhalb einer Woche rückzumelden. Viele Einrichtungen machen das sogar schon früher.

Hast du deine Therapie erfolgreich (was auch immer damit gemeint sein mag) abgeschlossen, wird im allgemeinen die gesamte, mindestens aber 2/3 der Zeit, die du dort warst, auf deine Knastzeit angerechnet und der evtl. noch verbleibende Rest zur Bewährung ausgesetzt. Ein Recht darauf hast du allerdings nicht.

Brichst du die Therapie ab (gleiches gilt, wenn du rausfliegst), wird die "Zurückstellung" in der Regel widerrufen, falls du nicht rechtzeitig wieder in die Einrichtung zurückkehrst. Die Zeit bis dahin kann aber trotzdem auf deine Haftzeit angerechnet werden. Um nach dem Abbruch oder Rauswurf nicht gleich wieder im Knast zu landen, musst du dir einiges einfallen lassen. Eine geringe Chance hast du, wenn du die stationäre Therapie ca. sechs Monate durchgezogen hast und dann gleich in eine ambulante Therapie wechselst. Günstig ist es auch, wenn sein restlicher Knast nicht über 12 Monate liegt. Wenn du kannst, versuche in regelmäßigen Urinkontrollen (UKs), dein Cleansein nachzuweisen. Such auf jeden Fall sofort eine Drogenberatung auf und sprich mit den Leuten deine Möglichkeiten durch.

Ehe du dich für einen Antrag gemäß § 35 entscheidest, solltest du bedenken: Die meisten indrage kommenden Therapien dauern 18 Monate. in der Anfangszeit ist deine persönliche Freiheit meist noch eingeschränkter als im Knast, z.B. Kontaktsperre nach draußen (kein Besuch, keine Telefonate, keine Post), Teilnahmezwang an allen Veranstaltungen usw. Der Knast muss eine sogenannte Sozialprognnose erstellen, was gleichbedeutend mit "Motivationsforschung" ist. Logischerweise wird da von dir angepasstes Verhalten im Knast erwartet.

Einen Antrag auf "Strafaussetzung zur Bewährung mit Therapieauflage" musst du an die für deinen Knaast zuständige Strafvollstreckungskammer stellen. Knast und Staatsanwaltschaft müssen wie bei einem normalen Reststrafengesuch dazu eine Stellungnahme abgeben. In diesem Fall kommen für dich auch die Therapieeinrichtungen infrage, die nach § 35 nicht anerkannt sind. Ggf kannst du die Tatsache, dass dein Therapieplatz für dich zwar besonders geeignet aber nach § 35 nicht anerkannt ist, als Argument verwenden, weshalb du die Aussetzungen mit Auflage und eben nicht den 35er beantragst.

Die nach § 35 nicht anerkannten Therapieeinrichtungen sind für dich wesentlich günstiger, da du dort mehr persönliche Freiheit und kürzere Therapiezeiten hast. Diese Einrichtungen weigern sich auch, mit der Strafvollstrckungskammer zusammenzuarbeiten, d.h. Abbruch oder Rauswurf werden nicht zurückgemeldet.

Bei einem Therapieabbruch hast du erheblich größere Chancen, nicht gleich wieder im Knast zu landen. Ein Wechsel in eine ambulante Therapie ist leichter durchzusetzen. Ausreichend ist meistens das ambulante Angebot mancher Beratungsstellen, das im wesentlichen aus unregelmäßigen UKs und einem wöchentlichen Gespräch mit einem Drogenberater besteht. Allerdings solltest du dich vorher über die einzelnen Beratungsstellen informieren.

In jedem Fall aber suche eine Drogenberatungsstelle auf und sprich mit den Leuten deine nächsten Schritte ab. Um einem Sicherungshaftbefehl vorzubeugen, solltest du dich nach der Kontaktaufnahme mit der Beratungsstelle bei der örtlichen Bewärungshilfe melden. Da dir während deiner Therapiezeit vermutlich noch kein Bewährungshelfer zugeordnet wurde, kannst du dir sozusagen einen aussuchen. Auch hier solltest du dir vorher ein paar Informationen besorgen, wie die Leute denn so drauf sind, und dann direkt hingehen und deine nächsten Schritte darlegen. Der Bewährungshelfer wird dann der Vollstreckungskammer mitteilen, dass du dich gemeldet hast und einen Antrag auf Änderung der Therapieauflage stellen.

Bis zu dieser Entscheidung vergehen mehrere Wochen, während du durch die Abgabe von UKs nachweisen kannst, dass ein eine stationäre Therapie nicht erforderlich ist.

Sowohl die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 als auch die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 57 StGB kannst du schon beim Termin beantragen. Günstig ist es natürlich wenn du gleich einen Therapieplatz vorweisen kannst. Achte aber darauf, dass, auch wenn dein Antrag abgelehnt wird, wenigstens eine Empfehlung in deine Urteilsbegründung aufgenommen wird. Etwa so: "Nach Verbüßung eines Teils der Strafe empfiehlt das Gericht ...". Meist wird sich dann später sowohl die Strafvollstreckungskammer als auch die Staatsanwaltschaft daran halten - ein Vorteil, wenn die Stellungnahme des Knastes vielleicht ungünstig ausfällt, weil du dich nicht angepasst genug verhalten hast.

Beachten musst du auch, dass der 35er nur bei reinen Drogendelikten möglich ist. Werden dir daneben noch andere Straftaten vorgeworfen, musst du, wenn du vorhast den Antrag auf 35er zu stellen, bei den Gerichtsterminen den Zusammenhang mit deiner Abhängigkeit nachweisen und dies in deiner Akte oder im Urteil vermerken lassen. Aber Vorsicht: da es sich dann um sogenannte "Folgekriminalität" handelt, kannst du dir damit u.U. die Unterbringung nach § 64 einhandeln.

Du kannst auch versuchen, in Strafhaft die Reihenfolge der Vollstreckung der verschiedenen Strafen so zu beantragen, dass deine BtM-Strafen zum Schluss kommen.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass bei einer Einzelstrafe über zwei Jahren (und einschlägigen Vorstrafen) und wenn du dich weigerst, eine dir angebotene "Strafaussetzung zur Bewährung mit Therapieauflagen" anzunehmen, die Möglichkeit besteht, dir auf Antrag der Anstalt am Ende deiner Haft noch die Führungsaufsicht reinzudrücken. Diese dauert zwischen zwei und fünf Jahren. Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten sind erheblich größer als bei der Bewährungsaufsicht. Bei einem Verstoß gegen die Auflagen können sie dich mit Knast bis zu einem Jahr und/oder einer Geldstrafe bestrafen.

der "alte" Ratgeber