10. Kontakte nach draussen, Öffentlichkeit

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Der "alte" Ratgeber

10. Kontakte nach draußen

Briefe, Pakete und Besuche werden für dich äußerst wichtig, um die Isolation, die von Knast und Richtern betrieben wird, aufzubrechen und dich im Knast zu stabilisieren. Alle Briefe in und aus dem Knast werden zwar kontrolliert. Dennoch sind sie auch für deine Freunde draußen wichtig, weil sie nur darüber über deine Situation wissen und dir helfen können.

10.1.Briefe


Briefe sind eine der wenigen Möglichkeiten, um Kontakte und Bezie­hungen nach draußen aufrechtzuerhalten und weiterzuführen. Der Gefangene kann darin seine Wut ausdrücken und versuchen, seinen Freunden seine Lage, Gedanken und Gefühle zu vermitteln, damit sie verstehen, was mit ihm passiert. Es ist wichtig, daß beide Briefpartner viel von sich und ihrem Alltag schreiben, wie es einem geht, was man denkt und fühlt und macht vor allem auch was sonst so geschieht. Aber Vorsicht dabei, Feind hört mit! Man muß davon ausgehen, daß außer der Anwaltspost und den Petitio­nen alle Briefe kontrolliert werden. Briefe an den Anwalt zukleben und dick „Verteidigerpost" draufschreiben. Privatbriefe muß man in vielen Knasten unverschlossen in einem Begleitumschlag dem Stationsbeamten übergeben. Briefe an Behörden, Gerichte u.a. sollte man ruhig erstmal verschlossen abgeben. Solche Briefe dürfen zwar vom Richter (in U-Haft) oder von der Anstalt kontrol­liert werden, was allerdings oft wegen der Masse der Zensurarbeit, die die haben, nicht geschieht. Mit den Briefen von draußen wird ähnlich verfahren, also Privatpost wird eigentlich immer kontrolliert, Gerichts- und Behördenpost nur manchmal. i «fit rf*»n Rripfon <-»fi Hpin» ni»ri;önlic*hp Sarhfin hei wie Fotos, selbsisemalte einen Brief schreiben). Solche Sachen werden zwar oft angehalten, aber immer wieder versuchen! Bestätigt euch stets gegenseitig den Empfang. Nummeriert die Briefe. Dann wißt ihr, ob alle Briefe ankommen und wenn mal eine Nummer fehlt - forscht gleich beim Richter oder der Anstaltsleitung nach, Briefe am besten immer mit Durch­schlag schreiben, dann kann man sich später noch darauf beziehen. Keine „direkten Beleidigungen in die Briefe schreiben, wie etwa „der Richter ist ein faschistisches Arschloch". Solche Briefe werden garantiert nicht weitergeleitet und man bekommt unter Umständen noch eine Strafanzeige wegen Beleidigung angehängt. Versucht also, eure Wut zu umschreiben. Phantasievoll-verschwom­mene Briefe, um die Anstatt oder den Richter zu verarschen (und aus denen die dann Fluchtpläne oder ähnlich Konspiratives konstruieren können) sollte man sich auch verkneifen, denn ein Brief wird schneller angehalten, als man denkt.

Briefe an andere Gefangenen

Im Knast kannst du auch anderen Gefangenen schreiben, die du dort kennenge­lernt hast oder von denen du aus Zeitungen oder so erfahren hast. Es gibt zwischen Gefangenen in den verschiedenen Knasten einen regen Briefver­kehr. Durch diese Briefe entsteht eine Basis für gemeinsame Aktivitäten und gemeinsamen Widerstand. Außerdem ist dir ein Knast, in den du verlegt wirst -zum Beispiel von U-Haft in Strafhaft - nicht ganz so fremd, wenn du dich bereits vorher mit Gefangenen dort geschrieben hast.

Wenn Briefe angehalten werden

Wird ein Brief angehalten, bekommt der Gefangene einen entsprechenden Beschluß vom Haftrichter (in U-Haft) oder von der Anstaltsleitung (Strafhaft). Dagegen kann sich sowohl der Gefangene als auch der Briefpartner beschweren. Wie das geht, steht in Kapitel 23 und 24; siehe dort auch die entsprechenden Musterbegründungen.


10.2. Kontakte zu Knastgruppen, Initiativen und ähnliches


Auch die Briefkontakte mit Knastgruppen sind wichtig für Gefangene. Einerseits als Anlaufadressen zur Vermittlung von Anwälten, Bücherbe-steliungen oder Adressen von anderen Knackis. Andererseits sind das eben Leute, die versuchen, Öffentlichkeit für die Knastunterdrückung herzustellen und die daher auch sehr interessiert sind an Situationsbe­richten aus dem Knast, Überschätze aber nicht ihre Möglichkeiten.Es gibt ein breites Spektrum von Knastgruppen bis „Resozialisierungsvereinen". Wir haben im Kontaktadressentei! diese Gruppen, soweit es uns nach vorherigen Informationen möglich war, in zwei Kategorien eingeteilt: Knast- und Gefangenengruppen - damit meinen wir Initiativen, in denen meist ehemalige Gefangene mitarbeiten und die eine entschiedene Position gegen den Knast vertreten. Sie sind von Organisationen und Institutionen unabhängig. Sie wollen - um es ganz vereinfacht zu sagen - keinen besseren Knast, keine „Resozialisierung", sondern sie sprechen Staat und Justiz jedes Recht ab, Men­schen zu internieren, einzusperren. Resozialisierungsvereine - darunter führen wir die verschiedensten Gruppen, Vereine etc. auf: Dazu zählen kirchliche, ehrenamtliche Mitarbeiter, Bewährungs­helfer, „Bürgerinitiativen", Arbeiterkreise usw. Es mag sein, daß wir hierbei einigen Unrecht tun, die wir aufgrund ihres Namens oder ihrer Kontaktadresse dieser Sparte zugeordnet haben, die sich selber aber eher zu den Knastgruppen und Gefangenengruppen rechnen. Die Einteilung ist daher nur als Orientierungshilfe zu sehen: Die Erfahrungen mit den Gruppen muß schon jeder selbst machen.

10.3. Zeitungen, Zeitschriften, Bücher von draußen

Die Gefängnisbibliothek bzw. deren Katalog sollte man sich ruhig mal anschauen, sie wird jedoch kaum geeignet sein, dich über das, was draußen geschieht, diskutiert wird, geschrieben wird, auf dem Laufenden zu halten. Wir wollen daher einige Möglichkeiten zeigen, Lesestoff von draußen zu beziehen. Es sollte dabei selbstverständlich sein, daß man seine Lektüre nicht alleine liest. Meist ist der Zeitungstausch auch dann möglich und geduldet, wenn er von der Hausordnung offiziell-verboten ist. Das Kursierenlassen von Zeitschriften etc. ist dann besonders inter­essant, wenn jeder Leser Kommentare und Randbemerkungen rein­schreibt. Es empfiehlt sich, die Weitergabe zu organisieren d.h. genau festzulegen, wer in welcher Reihenfolge dran ist, sonst passiert es immer wieder, daß eine Sache steckenbleibt, verschwindet oder Wochen bis Monate braucht, bis es der letzte in die Finger bekommt.

Tageszeitungen und Zeitschriften

Am günstigsten ist es natürlich, wenn euch Freunde, draußen ein Abonnement besorgen und bezahlen. Nur wenige Zeitungsverlage gewähren Freiabonnements für Gefangene - und dann auch nur ausnahmsweise. Der Verein „Brücke e.V." stellt jährlich eine Anzahl von Zeitungsabos Gefange­nen kostenlos zur Verfügung - allerdings nur begrenzt. Die Anschrift findest du Man muß hier ein wenig herumexperimentieren: Man kann einfach einen Zei­tungsverlag anschreiben und um ein Freiabo bitten; man kann aber auch einfach einige Probenummern anfordern. Eventuell bekommst du dann für eine Woche oder länger kostenlos eine Tageszeitung zugeschickt, wenn sich der Verlag davon verspricht, langfristig einen zahlenden Kunden zu gewinnen. Wenn es verschie­den^ Leute bei mehreren Zeitungen versuchen, dann hat man für einige Zeit was zu lesen. Mit Zeitschriften könnte es ähnlich klappen - manche Verlage schicken allerdings veraltete Nummern als Probeexemplare. Wir haben im Adressenteil im Anhang dieses Buches eine Anzahl von Zeitungen und Zeitschriften zusammengestellt, bei denen man es mal versuchen kann.

„Alternativpresse", linke Presse

Es gibt inzwischen ein großes Spektrum von kleinen Zeitungen, die dem Öffent­lichkeitsmonopol der großen staatskonformen Zeitungen trotzen. Es gibt dabei die verschiedensten Konzeptionen: Informationsdienste, Stadtteilzeitungen, „Scene"-Blät!er, Literaturzeitschriften u.s.w. Kostenlose Probenummern wird man von diesen Verlagen bestimmt bekommen. Wenn du dir ein Abo einer Zeitung, die dich interessiert, nicht leisten kannst und auch niemanden hast, der die Kosten für dich übernimmt: Viele der Alternativzei­tungen geben kostenlose Knastabos- natürlich nicht in unbegrenzter Zahl. Du mußt gerade bei diesen Zeitungen immer damit rechnen, daß sie angehalten werden. Schaue dir deshalb mal den Rechtsmittelteil an. Im Kontaktadressenteil findest du die Bestelladressen der meisten Alternativzei­tungen.

Parteipresse

Man sollte nicht alles glauben, was drin steht, vor allem was dort an „politischer Ideologie" verbraten wird, wonach jede Partei für sich in Anspruch nimmt die Wahrheit, die Zukunft und die Arbeiterklasse für sich gepachtet zu haben. Da manche Parteizeitung an Gefangene kostenlos geliefert wird und weil sich zwi­schen der Parteipropaganda hin und wieder auch interessante Informationen finden lassen, haben wir auch hierzu einige Bezugsadressen im Anhang zusam­mengestellt.

Bücher

Bücher sind sehr teuer. Auch hier kann man einzelne Verlage anschreiben und um kostenlose Exemplare bitten. Viele der linken Verlage und Buchläden stellen einen bestimmten Etat für die Versorgung von Gefangenen mit Büchern bereit - natürlich hat auch das seine Grenzen. Du solltest es wirklich nur in Anspruch nehmen, wenn es nicht anders geht. In jedem Faii kannst du dir die Verlagsprospekte schicken lassen, um zu erfahren, was es an Neuerscheinungen gibt'. Willst du dich an einen der im Adressentei! genannten Buchläden wenden, so schreibe an denjenigen, der in deiner Region liegt (du kannst ihn notfalls an der Postleitzahl erkennen). Bücher und natürlich auch Zeitschriften sollten mit einem schriftlichen Eigentumsvorbe­halt für den Fall versehen sein, daß sie dem Gefangenen nicht persönlich ausge­händigt, sondern wegen ihres nicht genehmen Inhalts zurückgehalten werden. Damit soll verhindert werden, daß ein Buch nutzlos bei der „Habe" des Gefange­nen liegt, ohne daß er drankommt. Ob die Anstalt das Buch in einem solchen Fall tatsächlich an den Absender zurückgeschickt, ist eine andere Sache. Eine Möglichkeit ist auch, das Buch offiziell als Leihgabe zuzusenden. Eine kaum bekannte und deshalb auch kaum genutzte Möglichkeit, an Lesestoff heranzukommen, sind die öffentlichen Bibliotheken. Wende dich an die nächstgelegene Universitätsbibliothek (siehe Adressenteil) mit genauer Angabe von Titel, Verfasser etc. des gewünschten Buches. Von der Universitätsbibliothek kannst du praktisch jedes Buch erhalten: Ist ein bestimm­tes Buch nicht vorhanden, so kann es dir deine Bibliothek über „Fernleihe" von einer anderen besorgen. Die Portokosten wirst dabei du oder jemand von draußen übernehmen müssen; du kannst aber auch versuchen, eine andere Regelung zu vereinbaren. In den Setzten Jahren sind einige „Büchertauschzentralen" in verschiedenen Städten entstanden. Das sind Initiativen von Gefangenen und Leuten draußen, die Bücher sammeln und an Gefangene ausleihen.

Rechtliches zum Bezug von Lesestoff

Die Formalien, die man beim Bezug von Lesestoff beachten muß, sind von Knast zu Knast und von Haftrichter zu Haftrichter verschieden: U-Haft: In manchen Knasten müssen die Sachen von der Anstalt vermittelt und direkt vom Verlag oder Buchhandel bezogen werden. In anderen Fällen wiederum klappt es auch, wenn Freunde die Sachen kaufen und schicken. Zensiert wird normalerweise vom Haftrichter; oft überläßt er dies jedoch der Anstalt, wenn die Bücher etc. direkt vom Verlag, Buchladen oder Bibliothek kommen. Bürgerliche Tageszeitungen und Zeitschriften werden meist direkt von der Anstalt und oft auch unzensiert ausgehändigt. Manche Haftrichter wollen, daß man den Bezug extra vorher bei ihnen beantragt. Erkundige dich also wie es in deinem Fall geregelt ist und laß dir nicht alles gefallen (siehe Rechtsmittelteil). Erkundige dich auch, ob du nur eine bestimmte Anzahl von Büchern auf der Zelle haben darfst und ob dir die alten Zeitungen wieder weggenommen werden. In diesem Fall wichtige Artikel rechtzeitig ausschneiden. Strafhaft: Hier sieht es ganz ähnlich aus, meist jedoch noch etwas strenger. Es wird selten erlaubt, daß Freunde von draußen Bücher und andere Schriften schicken; es muß dann direkt von Verlag, Buchladen oder Bibliothek kommen. Oft muß jedes einzelne Buch extra bei der Anstalt beantragt werden, bevor es (u.U. mit Paketmarke) geschickt werden darf.

10.4. Besuche

Besuche sind eine weitere Möglichkeit, Kontakte aufrechtzuerhalten und auch neue Leute kennenzulernen, die einem z.B. aus einer Knastgruppe schreiben. Beim Besuch sieht man die Leute, kann sie anfassen und ihre Stimme hören. Allerdings merkt man dabei auch direkt die Kontrolle durch den dabeisitzenden Knastwärter.

Besuchssituation

In U-Haft sind sämtliche Besuche überwachte Einzelbesuche, also der Gefangene und sein Besuch sitzen sich in der Besucheraelle an einem Tisch gegenüber und direkt daneben hockt ein Knastwärter und hört zu. Bei politischen Gefangenen hockt außerdem noch ein Beamter vom zuständigen Landeskriminalamt dabei und schreibt eifrig mit. Bei den meisten Gefangenen aus „terroristischen Vereini­gungen" kommt als neue Errungenschaft noch die „Trennscheibe" dazu. Dabei sitzt der Besucher in einem Raum (samt LKA-Bewacher) und der Gefangene in dem Raum daneben. In der Wand zwischen den beiden Räumen ist eine dicke Glasscheibe mit Sprechlöchern (wie bei einem Fahrkartenschalter). Man hört die Stimme nur verzerrt, kann sich schlecht sehen und nicht anfassen und denkt, der andere sei in einem Aquarium. Zur Zeit werden in verschiedenen Bundesländern - z.B. in Hessen - Vorbereitungen getroffen, die Trennscheibe für alle einzu­führen. Überlegt euch - als Gefangener und als Besucher - vorher, ob ihr eine solche Besuchssituation aushalten könnt und wollt und verständigt euch brieflich dar­über. In Strafhaft sehen die überwachten Einzelbesuche ähnlich aus. Die hautnahe Überwachung erschwert so einen Besuch enorm; versucht am besten, den Grünen dabei zu vergessen, weil man sonst die ganze Zeit gehemmt und unkonzentriert ist. In Strafhaft werden Besuche normalerweise als sog. unüberwachte Sammelbesu­che organisiert. Also mehrere Gefangene sitzen in einem größeren Raum und ein Grüner sitzt irgendwo in der Ecke. Ein Gefangener kann maximal von drei Leuten gleichzeitig besucht werden.

Wie und wo beantragt man einen Besuch

Bevor ein Besuch beantragt wird, sollten sich Besucher und Gefangener brieflich verständigen, wer wann und wie lange mit wem kommen sollte. In U-Haft muß der Besucher beim zuständigen Richter oder einem von diesem beauftragten Staatsanwalt einen Besuch beantragen. Der schickt dann die Besuchserlaubnis (kann manchmal Wochen dauern, ruhig am Telefon öfter drängein). Am schnell­sten geht es, wenn man sie sich selbst abholt. Auf dem Besuchsschein ist auch die Dauer des Besuchs eingetragen. Ein U-Gefangener hat grundsätzlich Anspruch auf eine halbe Stunde Besuch alle 14 Tage. Die Anstalten versuchen oft, den Besuch nach einer Viertelstunde schon abzubrechen. Laßt euch nicht einschüch­tern, die angegebene Zeit auf dem Schein ist bindend. Bei „politischen" Gefangenen muß man zusätzlich mit dem zuständigen Landes­kriminalamt einen Besuchstermin ausmachen. Wenn.du den verabredeten Termin später nicht einhalten kannst, gebe ihn rechtzeitig jemand anderem, der auch eine Besuchserlaubnis hat. Der Besuchsschein kann jedoch u.U. auch an der Knast­pforte hinterlegt werden. In Strafhaft hat der Gefangene mindestens eine Stunde Besuch im Monat. Er muß dann bei der Knastleitung einen Schein für seine Besucher beantragen. Diesen Schein schickt der Gefangene dann nach draußen und macht dabei gleich einen Termin aus.

Vorbereitung auf den Besuch

Man sollte sich beim Besuch schon vorher überlegen, worüber man reden will und sich am besten einen Spickzettel machen, denn in der angespannten Situation im Knast vergißt man leicht die wichtigsten Sachen und bis zum nächsten Termin ist es lang hin. Zigaretten dürfen mitgebracht bzw. im Knast aus einem Automaten gezogen werden. Ais „Knastwährung" sind sie sehr wichtig. Man kann es auch mal ruhig mit Obst und Blumen versuchen, auch wenn inzwischen die Chance, daß man es dem Besuchten übergeben darf, gering ist. In manchen Knasten kann man als Ersatz für Mitbringsel einen Geldbetrag einzahlen, der dann auch für solche Sachen zur Verfügung steht und nicht zur Rücklage oder für irgendwelche Ersatzansprüche verwendet werden darf. Außer dem Besuchsschein müßt ihr einen Personalausweis oder Paß mitnehmen, sonst kommt ihr nicht rein.

Besuchsschikanen

Es passiert manchmal, daß die Wärter behaupten, der Freund den man besuchen will, sei inzwischen in einen anderen Knast verlegt worden. Verlangt als Besucher in solchen Fällen immer einen Typen von der Anstaitsleitung, der euch das bestätigt und laßt euch dann Adresse und Telefonnummer von dem neuen Knast geben, damit ihr das nachprüfen könnt. In den meisten Warteräumen im Knast gibt es Telefonzellen. Mach gewaltig Putz, wenn die euch angelogen haben. Dieses Spielchen wird vor allem mit Ausländern getrieben. Versucht euch als Besucher gegenseitig zu helfen", wenn ihr sowas mitkriegt, denn die Ausländer können sich oft wegen ihrer Sprachschwiertgkeiten kaum dagegen wehren.

10.5. Pakete

Pakete sind für einen Gefangenen ungeheuer wichtig, zum einen als lieber Gruß von draußen und zum anderen, weil man darüber was besseres essen kann, als im Einkauf zu haben ist. Da die Pakete immer zu irgendwelchen Feiertagen (Ostern, Weihnachten, Geburtstag) kommen, kann man die Einsamkeit an diesen Tagen zumindest mit ein paar „Feiertagsfrühstücken" mindern.

Wann und wie oft kann man Pakete schicken?

Jeder Gefangene darf mindestens 3 Pakete im Jahr bekommen: zu Ostern, Weihnachten und zu seinem Geburtstag. Angehörige nichtchristlicher Religionsgemeinschaften können sich die Pakete zu ihren eigenen Feiertagen zuschicken lassen. Weitere Pakete können von der Anstalt genehmigt werden. Das betrifft vor allem Entlassungskleidung, Unterrichts- und Fortbildungsmaterialien, Bücher, Schreib-, Mal- und Bastelsachen und andere Dinge für die „Freizeitbeschäf­tigung". Die Pakete sollen frühestens 14 Tage vor und spätestens 14 Tage nach dem Anlaß (Geburtstag etc.) im Knast abgegeben werden oder mit der Post dort eingehen. Der Gefangene muß dazu vorher eine Paketmarke beantragen, die er dann samt einem Merkblatt über erlaubte Menge und Inhalt nach draußen schickt. Erlaubt sind üblicherweise bis zu 5 kg für das Weihnachtspaket und jeweils 3 kg für die übrigen Pakete. Kommt das Paket zu spät an oder hat es Übergewicht, so wird die Anstalt möglicherweise die Annahme verweigern. Wichtig für Ausländer: Ein Paket aus dem Ausland muß von der Anstalt auch bei Übergewicht oder Verspätung angenommen werden (Verwal­tungsvorschrift Nr. 5 Abs. 3 zu § 33 Strafvollzugsgesetz).

Was und wie packt man einpackt

Eigentlich sollte man nur Eßwaren, aber keine leicht verderblichen (Obst) oder zerbrechlichen (Eier) einpacken. Es ist schon sinnvoll, sich an das Merkblatt zu halten, denn in der Regel schmeißen die alles andere raus. Auch an das vorgeschriebene Gewicht sollte man sich halten, vor allem bei Geburtstagen; an Ostern und Weihnachten kann es aber gut vorkommen, dass die so einen großen Andrang haben, dass sie nicht mehr alles so genau wiegen können. Man sollte schon darauf achten, daß das Verpackungsmaterial nicht zu schwer ist (also Pulverkaffee raus aus dem Glas und rein in die Plastiktüte). Über eine liebevolle Verpackung freut sich der Empfänger aber schon (vielleicht kann er das Papier dann als Plakat an die Wand hängen). Wenn die Pakete ordentlich gepackt sind und ein sauber geschriebenes Inhaltsverzeichnis dabei liegt, dann werden die Sachen bei der Kontrolle erfahrungsgemäß nicht ganz so zerpflückt. Generell mußt du aber darauf gefaßt sein, daß der Kuchen völlig zerbröslt, Obst und Wurst in kleine Scheibchen und überhaupt alles kleingemacht und nach Waffen, Ausbruchswerkzeug und Drogen durchsucht wird. Wenn das Paket grundlos (also nicht zu schwer und rechtzeitig angekommen) abge­lehnt wird, dann sollten beide (Gefangener und Absender) sofort eine dicke Beschwerde an den Anstaltsleiter loslassen bzw. gerichtlich gegen ihn vorgehen. Im Rechtsmittel teil findest du Musterbegriindungen für solche Beschwerden (für U-Haft lies Abschnitt 23.3. Muster Nr. 7 und für Strafhaft Abschnitt 24.4. MusterNr. 12).

10.6. Urlaub, Ausgang, Offener Vollzug

„Urlaub" und „Sonderurlaub"

Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es für Strafgefangene (nicht aber für U-Häftlinge) die Möglichkeit,. Urlaub zu bekommen. Den „Jahresurlaub" von insgesamt 21 Tagen (§ 13 Strafvollzugsgesetz) muß man bei der Anstaltsleitung beantragen und zwar möglichst einen Monat vor Urlaubsbeginn. Der Urlaub wird in der Regel nur gewährt, wenn man bisher keinen Fluchtversuch unternommen hat und schon mehr als 6 Monate eingesperrt ist. Ein Lebenslänglicher muß lO Jahre gesessen haben bis er Urlaub nehmen darf (was nicht heißt, daß man es nicht schon vorher mal probieren sollte). Eine weitere Einschränkung, wonach Gefangene frühestens 1 1/2 Jahre vor der voraussichtlichen Haftentlassung erstmals Urlaub bekommen dürfen, ist inzwischen von verschiedenen Gerichten für rechtswidrig erklärt worden. Darauf sollte man gegebenenfalls hinweisen. Wichtig ist es, sich rechtzeitig um eine unverfängliche „Urlaubsanschrift" zu kümmern, die bei der Anstalt angegeben werden muß. Außerdem kann man „aus wichtigem Anlaß" Sonderurlaub beantragen. „Wichtiger Anlaß" ist die Erledigung wichtiger persönlicher, rechtlicher und geschäftlicher Angelegenheiten z.B. Eheschließung, Erziehungspro­bleme mit den Kindern, Renovierung oder Reparaturen in der Familienwohnung, Umzug, ärztliche Behandlung, Besprechung mit künftigen Arbeitgebern, Scheidungsdrohung der Ehefrau bzw. des Ehemanns, Krankheit des Ehepartners oder der Kinder und ähnliches. Es empfiehlt sich, Zeugen oder Schriftstücke zum Nachweis des wichtigen Grundes anzubieten. Wird der Antrag dennoch abgelehnt, so sollte man in eiligen Fällen sofort eine „einstweilige Anordnung" bei der Strafvollstreckungskammer beantragen. Näheres hierzu findest du im Abschnitt 24.1. (Rechtsmittel in der Strafhaft). Notfalls beantragt man dann hilfsweise einen normalen Urlaub (vorausgesetzt man hat noch etwas übrig) und versucht gleichzeitig diesen später doch noch als Sonderurlaub anerkannt zu bekommen: Denn der Sonderurlaub darf nicht auf den „Jahresurlaub" angerechnet werden (§35Scrafvollzugsgesetz). Er darf maximal 7 Tage im Jahr betragen. Die 7-Tage-Grenze gilt aber dann nicht, wenn die lebensgefährliche Erkrankung oder der Tod eines Angehörigen der Grund für den Sonderurlaubsantrag ist. Zur Vorbereitung der Entlassung kann innerhalb der letzten 3 Monate zusatzlich ein Entlassungsurlaub von 7 Tagen gewährt werden, um Wohnung und Job zu suchen (§ 15 Strafvollzugsgesetz). Auch diese Zeit darf nicht vom Jahresurlaub abgezogen werden. Im Rechtsmittelteil findest du unter Abschnitt 24.2. unter Nr. 18 Muster­begründungen für Rechtsmittel gegen die Ablehnung eines Urlaubsan­trags. In der U-Haft gibt es — wie gesagt — keinen Urlaub. Möglich ist hier beim Haftrichter die (befristete) Aussetzung des Vollzugs zu beantragen.

Ausgang und Ausführung

Sie können Strafgefangenen als sogenannte „Lockerungen des Vollzugs" (§ 11 Strafvollzugsgesetz) gewährt werden. Hier wird dem Strafgefangenen zu einer bestimmten Tageszeit das Verlassen des Knasts ohne oder unter Aufsicht durch einen Beamten gestattet. Gewährt wird der Ausgang hauptsächlich zur Teilnahme am Unterricht, der nicht in der Anstalt angeboten wird. Das kann auch ein berufsqualifizierender Kurs an der Volkshochschule sein. Auch zur Teilnahme an kulturellen, religiösen, politischen oder sportlichen Veranstaltungen kann Ausgang genehmigt werden. Ein weiterer Grund kann das Zusammen­treffen mit Angehörigen außerhalb des Knasts sein. Darüberhinaus können Ausgang und Ausführung „aus wichtigem Anlaß" gewährt werden. Hier gelten die gleichen Gründe wie oben beim Sonder­urlaub aufgezählt. Jn der U-Haft werden nur Ausführungen in Begleitung eines Beamten in wichtigen und unaufschiebbaren Angelegenheiten ermöglicht. Liegt eine solche Angelegenheit vor, so darf die Ausführung nicht mit der Begründung abgelehnt werden, es gäbe nicht genug Bewachungspersonal (vgl. LöweRosenberg, Kommentar zur Strafprozeßordnung § 119, Anmerkung 124).

Freigang, offener Vollzug

Auch der Freigang fällt unter die Kategorie „Lockerungen des Vollzugs" (§ 11 StVollzG). Unter bestimmten Voraussetzungen wird hier dem Strafgefangenen ermöglicht, einer regelmäßigen Tätigkeit außerhalb der Anstalt nachzugehen. Im Gegensatz zur „Außenbeschaftigung" geschieht dies ohne Aufsicht eines Knastbeamten. Die Freigänger werden meist von den übrigen Gefangenen strikt getrennt; in besonderen Abteilungen oder in sogenannten „Offenen Anstalten". Unter Beschäftigung sind hier von der Anstalt vermittelte oder selbstgesuchte Arbeitsverhältnisse zu verstehen. Auch die Teilnahme an Maßnahmen der Aus- bzw. Weiterbildung fallen hierunter, sofern diese regelmäßig wahrgenommen werden. Freigang kann sowohl während der normalen Arbeitszeit, als auch während der Freizeit erteilt werden; letzteres gilt vornehmlich für die Teilnahme an Maßnahmen der Aus- bzw. Weiterbildung. Zu beantragen ist der Freigang, wie alle „Lockerungen des Vollzugs", beim Anstaltsleiter. Gewährt wird er nur, wenn man den Eindruck erwecke hat, „an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken", wenn man also:

1.keinen Fluchtversuch unternommen hat

2.aus dem letzten Urlaub oder Ausgang freiwillig zurückgekehrt ist und zudem keine Anhaltspunkte geliefert hat, während des Urlaubs oder Ausgangs eine Straftat begangen zu haben

3.keinem Ausweisungs-, Auslieferungs-, Ermittlungs- oder weiteren Strafver­fahren ausgesetzt ist. Ein Rechtsanspruch auf die Erteilung von Freigang besteht allerdings nicht, sondern nur ein Recht auf „fehlerfreien Ermessensgebrauch", d.h. der Freigang kann trotz Erfüllung der Voraussetzungen jederzeit versagt werden, wenn z.B. kein Arbeits­platz gefunden wird, das Freigängerhaus belegt ist, oder ähnliches. In den Genuß des offenen Vollzugs kommen daher nur wenige ausgesuchte Gefangene einige Monate oder 1 bis 1 1/2 Jahre vor ihrem Entlassungszeitpunkt. Ais Entlassungszeitpunkt wird daher der Ablauf von 2/3 der Gefängnisstrafe angesetzt. Wenn man feststellt, daß überwiegend angepaßte, fleißige, unauffällige Gefangene in den offenen Vollzug gelangen, so heißt das nicht, daß ein derartiges Verhalten tatsächlich dazu führen muß. Von einigen Anstalten weiß man, daß besonders gute Fachkräfte unter den Gefan­genen nie in den offenen Vollzug kommen, weil die Anstalt nicht auf ihre Arbeitskraft verzichten will.

10.7. Presseerklärungen aus dem Knast


Für die bürgerliche Presse existieren die Probleme der Gefangenen nicht. Man wird daher als Gefangener in dieser Presse kaum zu Wort kommen. Versuchen kann man es trotzdem: in der Form von Pressemitteilungen und Leserbriefen. Bei beiden braucht man viel Glück. Man kann aber die Chance durchzudringen erhöhen, wenn man gewisse Regeln beachtet. Dabei gibt es zwischen Presseerklärungen und Leserbriefen prinzipielle Unterschiede: Die Presseerklärung soll dazu führen, daß das Geschriebene in einem Artikel zitiert oder- erwähnt, wird oder sogar Gegenstand eines Artikels wird.

Der Anlaß und der Zeitpunkt

Der unmittelbare Anlaß, eine Presseerklärung zu schreiben wird in der Regel ein bestimmter Vorfall sein. Dabei ist der Zeitpunkt entscheidend. Man wird feststellen: es gibt Zeiten, da können dutzendweise Gefangene mißhandelt werden, ohne daß sich die Presse dafür interessiert. Dann plötzlich überhäufen sich die Nachrichten mit „skandalfähigen" Informationen, obwohl es um einen Zustand geht, der im Knast Alltag ist. Was begünstigt nun den Zeitpunkt? Da spielt zunächst eine wichtige Rolle die sogenannte „Saure-Gurken-Zeit", das ist die Sommerzeit, in der die großen Politikerin Urlaub sind und folglich weniger Politik machen, und in der überhaupt sehr viele wichtige Sachen ruhen, mit denen die Presse sonst ihre Seiten füllen kann. Es ist also kein Zufall, daß Gefängnisskandale in der Regel im Sommer stattfinden — so auch Mannheimer Gefängnisskandal im Juli 1974! Ein weiteres wichtiges Moment können aktuelle öffentliche Auseinander­setzungen sein, zwischen den Parceien etwa in einem Landtag eines Bundeslandes. Das spielt vor allen Dingen dann eine Rolle, wenn der Wahlkampf bevorsteht oder im Gange ist. Das ist der Zeitpunkt, in dem „oppositionelle" Blätter versuchen werden, ihren Parteien in den Sattel zu helfen. In einer solchen Zeit kann es passieren, daß sich ein Abgeordneter plötzlich für den Strafvollzug interessiert und durch Anfragen im sehens Mißstände anprangern wird. In dem augenblicklichen politischen Klima ist das allerdings eine Sache, auf die man sich weniger verlassen kann. Denn im Augenblick richten sich die sogenannten „Gefängnisskandale" gegen die Gefangenen. Das heißt, als skandaifähiges Thema sind zur Zeit weniger die häufigen Mißhandlungen, sondern vielmehr die seltenen Ent­weichungen von Gefangenen opportun. Ein weiterer begünstigender Zeitpunkt liegt dann vor, wenn bereits ein sogenannter öffentlicher Skandal tobt und ein Sog entsteht, der weitere Informationen hochspülen kann. Auch hierzu ist der Mannheimer Gefängnisskandal ein treffendes Beispiel. Damals sind plötzlich die verschiedensten Berichte über Vorfälle aus vielen Anstalten an die Öffentlichkeit geraten, nach denen sonst kein Hahn gekräht hätte. Der Zeitpunkt des beschriebenen Vorfalls darf nicht allzuweit hinter dem Zeitpunkt der Presseerklärung zurückliegen. Die Presse kümmert sich nur um aktuelle Fälle. Wenn die Aktualität verfallen ist, d.h. ein Vorfall schon zwei, drei Wochen zurückliegt, was im Gefängnis oft schon durch die Zensur bedingt wird — dann kümmert sich die Presse schon allein deshalb nicht mehr darum.

Der Presseapparat

Die Presse ist eine große Industrie, die ununterbrochen Nachrichten produziert. Die Nachrichten werden an die Zeitungen durch große Nachrichtenlieferanten, durch „Großhändler von Nachrichten", die Nachrichtenagenturen, geliefen. Die Nachrichtenagenturen, weil sie die Nachrichcen nicht selber an das Publikum verbreiten, übermittein viel mehr Nachrichten, als die Zeitungen schließlich drucken. Sie speisen sie in die Fernschreiber ein, und die Fernschreiber verbreiten sie im ganzen Bundesgebiet. Den Zeitungen ist es dann überlassen, welche Nachrichten sie für wichtig halten und auf.wetche Art sie sie bringen. Allerdings kümmern sich die meisten Zeitungen schon aus Zeitmangel wenig um die Qualität dieser Nachrichten. Nur die größten Zeitungen können es sich leisten, die Nachrichten aus den eigenen Quellen, d.h. durch die eigenen Korrespondenten zu beschaffen. Oft wird nur der Lokaiteii von der Zeitung selbst recherchiert. Für den überregionalen Teil wird größtenteils Material der großen Nachrichtengroßhändler, der Nachrichtenagenturen übernommen. Es ist für uns deswegen überlegenswert, ob wir an die Nachrichtenagenturen unsere Presseeklärung verschicken oder an die Zeitungen. Es kann für einen größeren Vorfall in einem Knast günstiger sein, wenn er an die Nachrichtenagenturen berichtet wird, weil die Nachrichtenagenturen praktisch alle Zeitungen erreichen — und auch die Presseerklärung etwa so wiedergeben, wie man sie selber gemacht hat. Die Nachrichtenagenturen arbeiten ' nicht wie die einzelnen Zeitungen; die von ihren Redakteuren Artikel verfassen lassen, sondern sie übernehmen größtenteils den Text, den man ihnen schickt in der sachlichen Form und verbreiten ihn dann über Fernschreiber weiter. Deswegen bestehen eher Chancen bei Nachrichtenagenturen, den Vorfall so weiterberichten £U könnncn, wie man ihn selbst schildere als bei Zeitungen, wo es üblich l'sc, daß Journalisten aufgru nd des M aterials, das sie aus verschiedenen Quellen haben, eigene Amkelverfassen. Aus dieser Struktur des Zeitungswesens ergibt sich, daß du nicht mit einer Anteilnahme eines solchen Presseapparats schlechthin rechnen kannst und daß du dir auch dann keine Illusionen über die Presse machen solltest, wenn sie mal tatsächlich etwas aufgreift.

Der Journalist

Der Journalist ist oft jemand, der durchaus engagiert ist, aber man sollte dabei nicht übersehen, unter welchen Zwängen er selbst steht — daß es weniger auf ihn ankommt, als auf die Zeitung, an die er seine Nachrichten und Artikel, d.h. seine Arbeic verkauft. Sein Interesse an den von dir beschaff ten Inf ormationen gilt daher nicht dir oder den Haftbedingungen, sondern nur der von ihm auszufüllenden Zeitungsseitc. Schon einen Tag später interessiert er sich nur noch für die Reformversprechungen des Justizministers oder für die Hunde, die die städtischen Bürgersteige verunreinigen. Die Sachen, über die er schreibt, sind von ihm praktisch nicht zu bestimmen. Er schreibt über alles. Die Journalisten, die über Knastvorfälle schreiben, sind meistens Lokalreporter, die ununterbrochen umherhetzen, um Neuigkeiten für den Lokalteil einer Zeitung einzufangen und denen es schon aus ihrer täglichen Routine mit der Zeit egal wird, was sie schreiben.

Wie schreibt man eine Presseerklärung

Die folgenden Regeln sollten unbedingt beachtet werden: — Schicke keine unübersichtlichen Dokumentationen an die Presse, sondern einen kurzen, klaren Text. Material in Form von Beschlüssen oder anderen Dokumenten solltest du höchstens anbieten oder als deutlich getrennte Anlage mitschicken. Wenn die Anlage mehrere Dokumente enthält, ist eine Inhaltsangabe zweckmäßig, mit einer stichwortartigen Erläuterung der Bedeutung dieser Schriftstücke. Versuche dich in die Situation des Journalisten reinzudenken, in die Situation, wenig Zeit und Interesse zu haben, um für einen Artikel einen großen Arbeitsaufwand einzusetzen. Man sollte also die Presseerklärung so abfassen, daß der Journalist sie ohne Schwierigkeiten in einen Artikel umsetzen kann und nicht den ganzen Text neu schreiben muß. — Für die Vorbereitung einer Presseerklärung kann es sinnvoll sein, die Artikel über ähnliche Fälle in den Zeitungen, an die du deine Erklärung richten willst, mal genauer anzuschauen. Sehr oft werden Sätze der Presseerklärung aus dem Zusammenhang gerissen. Die Konsequenz daraus muß sein: Jeder Satz der Presseerklärung sollte so formuliert sein, daß er für sich allein schon einen Sinn ergibt. Um die Presseerklärung „interessanter" zu machen, ist es sinnvoll, „Folgen" anzukündigen, zum Beispiel: Strafanzeigen gegen die Verantwortlichen des Vorfalls oder des Zustandes, gegen den man sich wendet.oder sonstige Rechtsmittel (Verfas­sungsbeschwerden, Menschenrechtsbeschwerden) oder auch Streikaktionen im Knast. Unter Umständen sollte man sich orakelhafter Formulierungen bedienen, wie zum Beispiel: „Wir würden uns nicht wundern, wenn ..." Jeder „sorgfältige" Journalist a-ird, bevor er etwas schreibt, auch die andere Seite anhören. Daraus folgt: Überlege dir, was der Anstaltsleiter oder der justizmiiisster des Landes dazu sagen (lügen) wird, und versuche von vornherein darauf einzugehen also dem zuvorzukommen. Etwa in der Art: „Wenn nun, wie zu erwarten ist, der Justizminister behaupten wird, daß ..."

Die Nachrichtenwürdigkeit

Die Journalisten haben einen bestimmten Stil, etwas als Nachricht zu bringen. Diejenigen, die als Nachrichten in Zeitungen erscheinen, sind entweder Institutionen, Politiker oder bekannte Persönlichkeiten. Ais Gefangener ist man so ziemlich das Letzte, was nächrichtenwürdig ist. Um mit einer Nachricht durchzudringen, reicht es nicht aus, daß einem einzelnem Gefangenen Unrecht passiert, sondern er muß auch nachrichtenwürdig sein, und das wird er erst entweder als Gaippe von Ge­fangenen, die zum Beispiel eine Petition, eine Anzeige, eine Presseerklä­rung verfassen usw. oder in einer gemeinsamen Aktion ihren Protest zum Ausdruck bringen. Die größte Chance hast du wohl, wenn sich.eine nachrichtenwürdige Persönlichkeit deiner annimmt und gegenüber der Presse etwas anstelle von dir selbst erklärt. Das wird die Presse dann mit größerer Wahrscheinlichkeit bringen. Es ist allerdings dann meistens auch etwas anderes als du sagen würdest. Für den einzelnen Unbekannten gibt es oft nur eine Möglichkeit, nachrich­tenwürdig zu sein: indem er seine Nachrichtenwürdigkeit durch eine spektakuläre Aktion erzwingt.

Wie kommt die Presseerklärung an den Adressaten?

Die einfachste Möglichkeit: man schickt sie direkt an die Zeitung oder die Zeitungen, von denen man sich erhofft, daß sie etwas dazu schreiben. Dabei empfiehlt es sich, einen bestimmten Journalisten anzuschreiben, also auf dem Briefumschlag zu vermerken: zu Händen Herrn Sowieso. Man wird dabei den Namen eines solchen Journalisten nennen, von dem man weiß, daß er bisher schon engagierte Berichte geschrieben hat — möglichst auch über den Knast. Wenn man den Namen des Journalisten nicht kennt, vermerkt man einfach das Kürzel, das am Ende seines Artikels steht. Die Mitteilung wird dann schon den Richtigen erreichen. Der direkte Versand an die Zeitung bringt natürlich eine Gefahr mit sich: die Anstaltsleitungen reagieren sehr empfindlich auf den Versuch, Öffent­lichkeit herzustellen, und es besteht die Gefahr, daß ein Brief an die Presse eher angehalten wird, oder aber daß der Anstaltsleiter einen Begleitbrief dazulegc, in dem er deine Vorwürfe als Lügengeschichten diffamiert. Deswegen kann es sich empfehlen , die Presseerklärung über andere Leute draußen leicen zu lassen. Man schreibt also diese Presseerklärung als Brief „getarnt" an Freunde, die sie dann an die Presse weitergeben, Oder man be­auftragt einen Rechtsanwalt, sich an die Presse zu wenden. Eine Presseerklärung hat dann eine größere Chance, ihren Adressaten zu erreichen und nicht im Papierkorb zu landen, wenn du von draußen Unter­stützung erhältst. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Effektiv ist die Einschaltung von bekannten engagierten Leuten und Verbänden, die zum Beispiel deine Presseerklärung kommenderen oder eigene Presse­erklärungen abgeben, oder aber ihre oft guten Beziehungen zur Presse für dich in Anspruch nehmen. Eine andere Hilfe von außen kann etwa durch Freunde geschehen, die als interessierte HÖrer oder Leser die betreffende Rundfunkanstalt oder Zeitung mit Telefonantufen bombardieren und sich dorr scheinheilig nach dem von dir beschriebenen Vorfall erkundigen. Die nachfragen, warum darüber bisher nicht berichtet wurde. Das kann'dann wirksam sein, wenn es mehrere, verschiedene Leute tun oder zumindest Leute, die mit verschie­denen Namen, auftreten. Wenn man wegen der Zensur seine Presseerklärungnicht schreiben will, so kann man dem Journalisten auch mitteilen, daß man wichtige Informatio­nen hat und ihm vorschlagen, daß er dich im Knast besucht. Unter Um­ständen macht man das auch wieder auf Umwegen über Freunde draußen oder über den Rechtsanwalt. Man kann dem Reporter dann im Besuchsraum genauer erklären, worum es geht.

An welche Zeitungen lohnt es sich, Presseerklärungen zu schicken?

Natürlich gibt es eine Reihe von Zeitungen, bei denen man es gar nicht erst zu versuchen braucht. Die schreiben lieber, daß es den Gefangenen noch viel zu gut geht. Du findest im Adressenteil im Anhang einige Zeitungen und Zeitschriften, bei denen es sich eher lohnt, einen Versuch zu starten.

Was kann eine Presseerklärung bewirken?

Auf keinen Fall sollte man erwarten, daß man durch die Presse tatsächlich die Zustände einschneidend ändern kann. Man wird es auch selten dazu bringen können, daß bestimmte Beamte abgesetzt werden. Selbst einfache Beamte werden in der Regel nicht entlassen, höchstens von einer Station auf eine andere oder von einem Gefängnis ins andere versetzt. Alle diese Ergebnisse bleiben also im Rahmen einer psychologischen, momentanen Klimaveränderung. Wie die Anstaltsleitung und das Justizministerium auf Presseartikel reagieren, das kennt man von einigen typischen Fällen in der Vergangenheit. Die Anstaltsleiter reagieren normalerweise sehr empfind­lich auf Veröffentlichungen. Sie bestreiten die Tatsachen bis zum letzten Moment, bis es nichts mehr zu bestreiten gibt, und versuchen ihre Veröffentlichung vorher durch Zensur, Begleitbriefe und Einschüchterung zu verhindern. Diese Reaktion hat ihre Ursache hauptsächlich in der Furcht der Anstaltsleiter und anderer Beamter, ihren Posten zu verlieren. Diese Angst, den Posten zu verlieren oder degradiert zu werden, ist immerhin so groß, daß bereits bei harmlosen Fällen, die normalerweise gar nichts bewirken, Anstaltsleiter eine hysterische Überreaktion zeigen und unter Umständen durch diese Überreaktion genau das erst auslösen, was sie verhindern wollen. Alles in allem kann man sagen, daß man sich von PresseverÖffentlichungen nicht mehr versprechen sollte als eine psychologische Klimaveränderung innerhalb des Knasts, die natürlich schon etwas bewirkt: zum Beispiel eine solidarische Stimmung unter den Gefangenen, einen momentanen Auftrieb und ein Interesse der Gefangenen an solchen Interventionen überhaupt. Presseartikel haben häufig einen ganzen Schwang von Beschwerden und weitere Berichte an die Presse zur Folge, zu denen sie die Gefangenen ermutigt haben. Auch deswegen schon lohnt es sich, Nachrichten über die Zustände im Gefängnis systematisch zu sammeln und bei einer geeigneten Gelegenheit über die Presse einzusetzen.

10.8. Leserbriefe

Sie haben einen ganz anderen Charakter. Sie stellen keine offizielle Information oder Meinung dar, wie es scheinbar bei einem Artikel in einer Zeitung der Fall ist. Dafür werden sie textlich nicht verändert - höchstens gekürzt - und wohl von sehr vielen gelesen. Auch für den Leserbrief gibt es günstige und ungünstige Zeitpunkte, ähnlich wie bei den Presseerklärungen. Bevorzugt werden auch hier „ aktuelle, interessante " Leserbriefe,

Was beim Schreiben zu beachten ist

Leserbriefe haben für die Presse den Zweck der Werbung - „unsere Leser dürfen zu Wort kommen". Es ist daher hotwendig, auf die Eitelkeit der betreffenden Zeitung einzugehen, indem man sich in dem Leserbrief auf einen oder mehrere Artikel dieser Zeitung bezieht, die vor kurzem dort erschienen waren -wenigstens in der Einleitung des Leserbriefs. Dann kann man sich natürlich von diesem Artikel wieder entfernen, zum Beispiel: Artikel über das Justizministerium, über Strafvollzugsreform, Strafvolll­zugsskandale, über geglückte Fluchten, zur Berichterstattung über, Vorfälle und Zustände, die außerhalb des Knasts existieren oder geschehen sind. Dazu einige Beispiele:

-Die Zeitung berichtet über die geglückte Flucht eines Gefangenen: Hier konnte nun auf die allgemeinen Zustände im Knast hinweisen, die einen Gefangenen zur Fluch? bewegen. Angebracht ist hier vor allem der Hinweis auf die herrschende doppelte Moral: selbst die grob fahrlässigste oder sogar vorsätzliche Tötung und Mißhandhing von mehreren Gefangenen ist der politischen Karriere eines Justizministers nicht abträglich. Dagegen hat schon ein einziger geflohener Gefangener einen Minister gestürzt. Ein hoher Politiker entpuppt sich als NS-Verbrechcr, ohne abdanken zu müssen. Ein Leserbrief kann hier die doppelte Moral entlarven, die einen NS-Verbrecher zum Staatsmann macht, einen Eierdieb dagegen in den Knast steckt.

-Die Zeitung berichtet über die Situation von Ausländern in der Bundesrepublik. Der Leserbrief weist auf die besondere, extrem menschenunwürdige Behandlung und Benachteiligung von Ausländern in den Gefängnissen hin.

-Die Zeitung berichtet über die Verbesserung der „Qualität der Arbeitsbedingun­gen" in der Bundesrepublik. Der Leserbrief informiert über die Arbeitsbedingungen und die „Entlohnung" im Knast. im Knast an.

Die Sprache eines Leserbriefs sollte engagiert und auch ruhig scharf an­greifend sein, aber nicht beleidigend -sonst wird er nicht abgedruckt. Unbelegte Tatsachenbehauptungen werden sich in einem Leserbrief nicht immer vermeiden lassen. Man sollte aber die wenigen bekannten und auch belegbaren Fakten, die es gibt, in seinem Leserbrief auch einsetzen: z. B. Hinweise auf bestimmte aktenkundige Gefängnisskandale und vor allem Hinweise auf frühere Artikel dieser Zeitung über bestimmte Mißstände (das schmeichelt der Zeitung), Hinweise auf Statistiken (zum Beispiel Selbstmord raten). Wichtig: je kürzer ein Leserbrief ist, desto größer ist die Chance, daß er abgedruckt und gelesen wird. Außerdem besteht andernfalls die Gefahr, daß er von der Redaktion gekürzt wird. Am besten, du schaust in der betreffenden Zeitung oder Illustrierten nach, wie lang dort die Leserbriefe üblicherweise sind. Gerät er dir nun doch etwas länger, dann mach am besten selbst einen Kürzungsvorschlag den du beilegst. Der Leserbrief kann natürlich auch von mehreren Gefangenen unterzeichnet werden. Sinnvoll ist es vielleicht auch, meh rere verschiedene Leserbriefe zu einem Thema zu schreiben und unter verschiedenen Namen an die Zeitung zu schicken, um die Chance zu erhöhen, daß wenigstens einer von ihnen abgedruckt wird. Man kann auch versuchen, Leserbriefe verschiedener Verfasser aufeinanderfolgen zu lassen, die dann auf den bereits abgedruckten hinweisen und ihn ergänzen. Auch wenn du dies alles beachtest, mußt du davon ausgehen, daß zwar eine Chance besteht, daß dein Leserbrief abgedruckt wird, die Wahrscheinlichkeit, daß er im Papierkorb der Redaktion verschwindet, bleibt jedoch trotzdem.

10.9. Beiträge für die Alternativpresse

Das bisher 2ur Presse gesagte gilt natürlich nur für die „bürgerliche" Presse. Zur sogenannten Alternativpresse sollte ein offeneres, untaktisches Verhältnis möglich sein. Viele dieser Zeitungen sind daran interessiert, Informationen, Beiträge und Leserbriefe aus dem Knast zu bekommen, und du solltest diese Möglichkeit der Öffentlichkeitsarbeit nutzen, auch wenn der Leserkreis sich quantitativ nicht mit dem der Frankfurter Rundschau oder des Spiegels messen kann. Aber man sollte hier eigentlich von einer solidarischeren Haltung - der Zeitungsmacher wie der Leser -gegenüber den Gefangenen ausgehen können. Vielfach wird, man aber leider auch hier andere Erfahrungen machen. Ob das dann im Einzelfall am fehlenden Platz oder am fehlenden Interesse Siegt lässt sich nicht immer aufklären. Man sollte jedenfalls nicht gleich aufgeben, nicht lockerlassen sondern weiter schreiben, eine Erklärung für den Nichtabdruck verlangen, andere Mitgefangene zum gleichen Thema oder Vorfall schreiben lassen. Die Alternativpresse sollte sich nicht zuletzt daran messen lassen, wie sie mit solchen Nachrichten und Beiträgen umgeht, denen sonst keinerlei Öffentlichkeit zugänglich ist.

Der "alte" Ratgeber