1. Die Festnahme

Aus Gefangenenratgeber

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Der "alte" Ratgeber

Die Festnahme

Von der Polizei festgenommen zu werden, ist ein Schock, der den ganzen Körper durchläuft Niemand kann dabei ruhig bleiben, denn es geschieht meist zu plötzlich, als dass man sich darauf vorbereiten könnte, und es ist für ein Schicksal zu einschneidend, als dass man es gleichgültig hinnehmen könnte. Auch dieses „Spiel" hat aber Regeln, die man kennen sollte, um nicht den Kopf zu verlieren, wenn es soweit ist.

1.1 Der unmittelbare Zugriff

Vor allem wenn die Festnahme mit vorgehaltener Waffe erfolgt, so vermeide alles, was als Angriff oder Gegenwehr ausgelegt werden könnte, hastige Bewegungen, Griff in die Tasche. Sag ihnen möglichst ruhig, sie sollen deinen Sicherheitsgurt vom Auto selbst lösen, sollen sich den Ausweis selbst aus deiner Tasche holen. Achte aber darauf, dass du sie nicht provozierst, sie nicht aufbringst. Das Beste ist, alles ganz ruhig und bedächtig abzuwarten. Mach dir unter keinen Umständen die Ungeduld oder Eile der Beamten zu eigen. Besteh von Beginn der Festnahme an darauf, dass du einen Anwalt deines Vertrauens verständigen kannst oder er benachrichtigt wird. Man sollte deshalb immer wenigstens eine Telefonnummer und ein paar Groschen dabei haben. Auch wenn die Polizisten in den meisten Fällen geflissentlich, darüber hinweg hören.

Falls sie dir schon jetzt Fragen stellen:

Die einzige Aussage, zu der du verpflichtet bist, sind die Angaben zur Person. Dazu gehören Name, Geburtsdatum und Ort; Beruf, Familien-Stand und Staatsangehörigkeit. Dagegen: wo du arbeitest, mit wem du wohnst und wieviel du verdienst, von wo du gerade herkommst und wohin du gerade gehst, geht die gar nichts an und du kannst diese Sachen beruhigt und rechtmäßig verschweigen! Spätestens jetzt wirst du dich über deinen eigenen Leichtsinn ärgern, wenn man dein Notizbuch mit Adressen und Telefonnummern deiner Freunde in deiner Tasche findet. Auch dann, wenn die Adressen codiert sind: die zu entschlüsseln ist für die Kripo Routine. Frag du dann die Polizisten nach Namen, Dienstgrad und Nummer, damit du später bei Zeugenaussagen etc. noch weißt, wer das war, mit dem du bei der Festnahme zu tun hattest. Dann frag nach dem Grund der Festnahme. Sag aber nichts, wenn du keine oder eine blöde Antwort bekommst. Wenn du etwa anfängst: „Ich war doch die ganze Zeit arbeiten und gestern Abend in der Kneipe X, Was soll da passiert sein?" können sie oder der Staatsanwalt oder Richter später mit tausend Sachen kommen wie: „Sie gehen wohl häufiger in die Kneipe X. Kennen Sie da jemanden, wahrscheinlich doch den Y, oder?" Und denke immer daran: Du bist nervös, fühlst dich allein, bist vielleicht überrascht - möchtest raus aus dieser Situation und sagst dann vielleicht Sachen, die dich für Jahre in den Knast bringen können - vielleicht so ganz nebenbei durch ein Gespräch im Polizeiwagen. Versuch die ganze Zeit so ruhig zu wirken, dass neben deinem „kein Wort sagen" auch das übrige Verhalten keine Anhaltspunkte über dich liefert: Nicht sehen lassen, dass du Angst hast, nervös bist vom Rauchen, von Drogen abhängig. Das sind alles Reaktionen, die sie dann gegen dich einsetzen können. Mach dich auch von dem inneren Zwang frei, der Übermacht trotzen zu wollen, indem du Widerstand leistest, Empörung äußerst oder über Recht und Zweck der Aktion diskutierst. Widerstandshandlungen jeder Art (also auch Anrempeln oder Beschimpfungen) werden dir in dieser Situation Anzeigen einhandeln (Widerstand gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung oder Beleidigung). Allerdings bist du vor solchen Anzeigen auch dann nicht sicher, wenn du dich zurückhältst.

Zusammengefasst: Unmittelbar bei der Festnahme machst du grundsätzlich gar nichts, zumindest nicht aktiv. Du wartest ab, was passiert. Es ist besser, abzuwarten, als am Anfang gleich was Falsches zu machen. Gleichzeitig aber versuchst du, alles genau zu beobachten und zu behalten und wenn es möglich ist, zu notieren, was gesagt und getan wird. Stell dir in Gedanken vor, dass du jetzt mit Freunden zusammen bist und ihnen den Vorfall genau schilderst. Vor allem merke dir die Namen und den Dienstgrad der Beamten. Deine einzige Stärke kann sein, dass du schon etwas über sie weißt, sie aber nichts von dir. Und rechne von vornherein erst mal damit, dass du in Haft kommst. Versuch nicht, dies um jeden Preis zu vermeiden. Der Preis ist dann leicht noch mehr Knast!

1.2. Die polizeiliche Vernehmung


Nach der Festnahme findet nun das polizeiliche Verhör auf dem Revier statt. Dabei musst du dir unbedingt klar darüber sein: Entweder man sagt gar nichts, was generell am besten ist, oder man nennt sein Alibi, wenn man ein sicheres hat und mit der eigenen Aussage niemand anderen in Gefahr bringt (ist vor allem wichtig, wenn du mit mehreren zusammen einfährst), Dies kannst du jedoch nie richtig überblicken. Deshalb immer erstmal: keine Aussagen. Wenn du Glück hast, erwischt du einen Beamten, der nicht sonderlich unglücklich darüber ist, weil du ihm damit die Arbeit ersparst, ein Vernehmungsprotokoll zu schreiben. Kurz nach der Festnahme bist du natürlich erstmal aufgeregt, sauer und vielleicht auch niedergeschlagen und erschöpft. Diesen Zustand versuchen die Vernehmungsbeamten erfahrungsgemäß für sich auszunutzen, d.h. sie setzen dich mal unter Stress, mal behandeln sie dich richtig freundlich mit Kaffee und Zigaretten und so, um dich „weichzukochen". Diese Art von nervlichen Wechselbädern soll dich mürbe und müde machen, damit du möglichst schnell möglichst viel' aussagst. Somit haben sie nicht allzuviel Arbeit mit dir (auch für Polizisten ein wichtiger Aspekt, denn auch die sind faul), und andererseits können sie Erfolge vorweisen, was wiederum gut für ihre eigene Psyche und Beförderung ist. Deine Situation und die der Vernehmer gegenübergestellt, sieht dann so aus:


du bist unvorbereitet sie arbeiten mit genauen Instruktionen, Taktiken und Erfahrung
du bist von Freunden abgeschnitten,die du fragen könntest, was du tun sollst die Polizisten können sich beraten und bei veränderter Lage neue Instruktionen einholen­
du kennst deine Rechte nicht genau sie wissen das und nutzen es aus
du bist nervös und aufgeregt sie sind cool und darauf gedrillt deine Nervosität und Unsicherheit

zu ihren Gunsten auszunutzen

du weißt nicht, was sie mit dir machen werden und wie lange das Verhör dauert sie haben davon eine genaue Vorstellung
du bist ihnen ausgeliefert und fühlst dich auch entsprechend schlecht sie rechnen damit und hoffen, dass sie dich weich kriegen


(angelehnt an Eschen/Sami, Wie man gegen Polizei und Justiz die Nerven behält, Rotbuch Verlag)


In dieser Situation sind dann viele bereit, auf das gesetzlich garantierte Recht der Aussageverweigerung zu verzichten. Du kannst jetzt aber gar nicht genau wissen, ob eine Aussage deine Situation letztlich bessert. Du solltest also deine Aussage auf jeden Fall später machen, d.h. beim Haftrichter., oder beim Haftprüfungstermin nach 14 Tagen, wenn du überhaupt vor der Gerichtsverhandlung was sagen willst.

Einen Anwalt verlangen

Gesetzlich hast du sofort nach deiner Festnahme ein Recht darauf, einen Anwalt zu sprechen. Allerdings wird es dir in der Regel nicht erlaubt. Trotzdem kannst.du ihn immer wieder fordern und auch klarmachen, dass du ohne Anwalt überhaupt nichts sagen wirst (was noch längst nicht heißt, dass du mit Anwalt etwas sagst). Du solltest dir allerdings überlegen, ob du bereits in dieser Situation einen Anwalt hinzuziehen willst, oder ob du nicht vielleicht besser in der ersten Zeit ohne Anwalt auskommst.. Mit einem Anwalt bist du, obwohl er dir möglicherweise die nötigen Informationen verschaffen kann, gleich an Ort und Stelle gezwungen, dir ein Verteidigungskonzept zu überlegen, im schlechtesten Fall wird dein Anwalt ohne.dich agieren und du wirst überrumpelt, überlege dir, ob es nicht zweckmäßiger wäre, erst.einmal abzuwarten. Du solltest es jeden­falls vermeiden, dich auf eine Verteidigungskonzeption festzulegen, die in der ersten Aufregung in einem kurzen Gespräch mit dem Anwalt (den du meistens nicht kennen wirst) entstanden ist und die dich hinterher in eine schwierige Situation.bringt, weil sie sich dann möglicherweise nicht durchhalten lässt. Wenn du keinen Anwalt kennst, legen dir die Beamten eine Liste vor, aus der du dir einen aussuchen sollst, öfters empfehlen sie dir sogar einen. Den solltest du auf keinen Fall nehmen, denn ein,von der Gegenseite empfohlener Typ kann wohl' kaum deine Interessen gut vertreten.

Staranwälte, die man aus der Zeitung kennt, sind in erster Linie enorm teuer und rühren erst einen Finger für dich, wenn du entsprechend viel zahlst. Also versteif dich nicht auf die „Stars", die sind auch keine Zauberer, die dich überall rausholen. Außerdem haben sie meistens einen Stall von angestellten Anwälten, die dann deinen Fall übernehmen und nicht der „Meister" selbst, außer du bist ein presseträchtiger Sonderfall (darauf sollte man nie bauen). Man kann sich einen Anwalt aus dem Branchenverzeichnis aussuchen, den man dann anruft und bittet, zu sich aufs Revier zu kommen. Sag am Telefon aber lediglich, weshalb sie dich festgenommen haben, also nur: Verdacht des Diebstahls, Raub, Totschlag usw., und liefere keine eigene Version dazu, denn dann würdest du ja doch hintenrum eine Aussage machen. Der Anruf bei einem Verteidiger hat auf jeden Fall den Vorteil, dass einer weiß, wo du bist und eventuell auch deine Familie benachrichtigen kann (was du ihm am Telefon am besten gleich sagst; allerdings keine Namen und Adressen von Leuten, die nicht absolut „sauber" sind, sonst werden die auch noch gleich in deine Sache mit reingezogen). Dieser Anwalt ist jedoch ein vollkommen Fremder für dich, dem du auch nicht sofort alles anvertrauen sollst; auf keinen Fall auf die Frage antworten, ,ob du es nun warst oder nicht". Vorsicht ist besser als Brummen.

Lass dich vor allem nicht vom Anwalt zu voreiligen Aussagen überreden, denn die „Mitarbeit" eines Beschuldigten durch sein Geständnis erspart Polizei und Verteidiger Arbeit, dich kann das allerdings einiges an Geld oder Jahren kosten. Wenn du mit anderen eingefahren bist, lass dich auch nicht vom Anwalt gegen die anderen ausspielen, so etwa wie: „Sie sind doch nur der kleine Mitläufer, die anderen sind doch diejenigen, die ..." Also nochmal, sei verdammt vorsichtig mit einem fremden Anwalt, und wenn er in der weiteren Zeit nichts für dich tut, sieh zu, dass du ihn wieder los wirst. Notfalls wartest du ab, bis du in den Knast kommst und lässt dir dort von Mitgefangenen einen empfehlen. Du findest weiter hinten noch ein spezielles Kapitel über Anwälte. Außerdem ist im Anhang eine Liste mit Adressen, von empfohlenen Anwälten.

Die Vernehmungstaktiken

Die Polizei hat nun einige Standard-Verhörmethoden, die natürlich hier und da auch verändert und kombiniert werden. Bei den Verhören stellen sich die Vernehmungsbeamten natürlich auch auf die Verfassung ihres Opfers ein, d.h. sie beobachten genau deine Reaktionen, Nervosität, Schwitzen, Angst usw., und versuchen dich da zu treffen, wo sie meinen, dass du schwach bist. Versuch also nach außen so ruhig wie es geht zu wirken, um so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Die häufigsten Verhörmethoden wollen wir hier nun kurz darstellen:

„Harte Welle - weiche Welle"

Die bekannteste ist die Kombination „harte Welle.- weiche Weile". Ein paar Beamte setzen dir richtig zu, verhalten sich aggressiv und fies zu dir(Schlagen, Beleidigungen)', eben genauso, wie man es erwartet. Man hat also eine Mordswut und auch Angst im Bauch. Dann kommt einer, meist der Vorgesetzte, der die „Fiesen" zurück pfeift, dich also im Moment sozusagen vor denen beschützt. Der ordert dann meistens Kaffee für dich, gibt dir ne Zigarette und unterhält sich erstmal sehr locker mit dir, ohne direkt auf die anstehende Sache zu kommen. Manchmal erzählen so Leute, dass ihnen der Job ja auch stinkt und sie viel lieber aufhören würden, aber die Familie ..., und etliche anderen Geschichten in dieser Richtung. Mach dich also auf alles gefasst! Der versucht dann also langsam aber sicher, ein Vertrauensverhältnis zwischen dir und ihm herzustellen, so dass du ihn für die einzige Stütze in dem Moment hältst. Lass dich bloß nicht einlullen. Denk immer daran, der Polizist hat den Job, dich zu verfolgen, nicht, dir aus der Scheiße zu helfen. Er ist daher unmöglich dein Kumpel, dem du dich anvertrauen kannst.

Das,, Gegeneinander-Ausspielen"

Wirst du mit anderen zusammen in derselben Sache festgenommen, behaupten die Vernehmungsbeamten sehr oft im Laufe des Verhörs irgendwann, dasss die anderenschon alles gestanden hätten und du dich jetzt durch Schweigen nur noch mehr belasten würdest.. Oder als Steigerung davon wird behauptet, du seist von den anderen belastet worden, was die (dir natürlich wohigesonnenen) Herren Vernehmungsbeamten garnicht glauben können, du solltest jetzt also mal erzählen, wie es wirklich war ... / Ein Vernehmungsbeamter versucht - das ist sein Job - mit allen Mitteln ein Geständnis zu bekommen. Er nimmt es dabei mit der Wahrheit oft nicht so genau. Sei vorsichtig; glaub erst mal nichts

Das „belastende Material"

Nach dem gleichen Muster wird eventuell während der Vernehmung gesagt, man habe bei einer Hausdurchsuchung bei dir dies und jenes an belastendem Material gefunden, außerdem wisse man sowieso schon alles und du könntest ihnen also nichts mehr verschweigen, sondern nur das, was sie eh schon wüssten, bestätigen. Für diese Bestätigung versprechen sie dir, dass du sofort wieder nach Hause kannst, dir also eine längere Zeit Polizeigewahrsam und der Haftrichter erspart bleibt. Oftmals faseln sie auch von Strafmilderung oder gar, dass sie sich vor Gericht für dich einsetzen, Lass dich nicht bequatschen! Das ist alles Unsinn! Ob du dem Haftrichter vorgeführt wirst, entscheidet der Staatsanwalt. Weshalb und wie lange du in den Knast kommst, entscheidet immer noch der Richter. Beide scheren sich einen Dreck darum, was dir die Polizei versprochen hat. Die Vernehmungsbeamten können dir leicht etwas versprechen, was sie nicht halten müssen; du musst es allerdings ausbaden, wenn du auf ihre Versprechungen hereingefallen bist,

Deine Eltern gegen dich ausspielen

Bist du Jugendlicher und wohnst du noch zu Hause, so versuchen sie oft, dich über deine Eltern weichzukochen. Sie sprechen von den armen, leidgeprüften Eltern, für die eine Welt zusammenbräche, wenn sie erführen, dasss ihr Sohn mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Sie versuchen dir einzureden, dass deine Eltern über deine Dummheit, die Kumpanen zu decken, sicherlich schockiert sind, und wenn sie erstmal mit der Tour angefangen haben, lassen sie noch mehr Sprüche dieser Art los. Auch rufen sie des öfteren während der Vernehmung bei dir zu Hause an und übergeben dir dann das Telefon. Eine unerträgliche Situation - ganz besonders, wenn du ein gutes Verhältnis zu deinen Eltern hast. Dein Vater oder deine Mutter am andern Ende der Leitung können das Ganze nicht fassen, werden aufgeregt und besorgt fragen, wie das denn alles möglich sei. Um sich selbst zu beruhigen, werden sie versuchen, soviel wie möglich von dir zu erfahren. Sie wollen hören, wie es denn nur dazu kommen konnte und dass alles nur ein tragisches Missgeschick ist und und und ... Auch du spurst unter Umständen das große Verlangen, dich deinen Eltern mitzuteilen. Sind sie nicht seit langer Zeit die ersten, mit denen du wirklich reden möchtest, mit denen ein Gespräch möglicherweise nützlich wäre. Doch fang jetzt bloß nicht an, zu erzählen. Du bist nicht allein mit ihnen, vergiss das nicht! Mach das Gespräch kurz und sage ihnen, sie sollen sich mit deinem Vertrauensanwalt in Verbindung setzen - wenn du schon einen hast.

Nochmal generell zur Aussageverweigerung

Die totale Aussage Verweigerung darf bei einem Beschuldigten nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. Sagst du jedoch auch nur ein Wort, so wird dies zu einem Beweismittel, das nach der Rechtsprechung der „freien richterlichen Beweiswürdigung" unterliegt. Schweigst du nur zu manchen Fragen, so können sie daraus natürlich auch ihre Schlüsse ziehen. Deshalb: Schweigen! Du kannst eine Aussage nicht mehr widerrufen! Du kannst zwar eine zweite Aussage machen, mit der du der ersten widersprichst. Welcher der beiden Aussagen aber letztendlich Glauben geschenkt wird, ist dann Sache des Gerichts. Von jeder Vernehmung wird ein Protokoll gemacht, egal, ob du was erzählst öder nicht. Das sollst du dann unterschreiben, damit es seine Gültigkeit hat. Verweigere die Unterschrift, denn bei der Polizei ist es mit Unterschriften genauso wie bei Handelsvertretern an der Haustür: die unangenehmen Folgen von Unterschriften kommen nicht sofort, sondern erst später. Schon viele haben sich in der Gerichtsverhandlung gewundert, was sie bei der Polizei nach dem unterschriebenen Protokoll alles ausgesagt haben sollen. Meistens lassen sie dir nicht genügend Zeit, das Protokoll durchzulesen und außerdem ist man nach so einem Verhör zu aufgeregt, um irgendetwas in Ruhe durchzulesen. Also Finger weg von der Unterschrift unter irgendetwas, was sowieso nicht deine Sache ist, denn es ist schließlich deren Protokoll und nicht deines! Wichtig ist bei der ganzen Zeremonie, dass du dich nicht provozieren lässt zu Beleidigungen oder gar zu tätlichen Angriffen. Aktiver Widerstand bringt dir neben Beulen auch noch sehr leicht eine Anzeige wegen Beleidigung oder Widerstand gegen die Staatsgewalt. Daher reagierst du auf deren Angriffe am besten mit Passivität, d.h. wenn sie dich schlagen, versuche die empfindlichsten Körperteile (Geschlechtsteile, Kopf, Nieren) so gut es geht abzudecken und schrei so laut du kannst, damit auch andere hören, was mit dir geschieht, denn das haben die Vernehmungsbeamten auch nicht so gern. Du bist nach der Festnahme in einer total beschissenen Situation, die du natürlich so schnell wie möglich beenden willst. Da du ja nicht von dir aus bestimmen kannst, warm du und wie du wieder wegkommen kannst, meinst du natürlich, irgendetwas für die Freiheit anbieten zu müssen. Eine Geschichte über dich, oder besser noch über jemand anders erscheint da leicht der schnellste und schmerzloseste Ausweg. Das ist allerdings genau falsch, denn wenn du erstmal am erzählen bist, lassen die nicht locker, bis sie haben was sie wollen. So beschissen das ist, aber sie sitzen nun mal in der Situation am längeren Hebel und haben jede Menge Zeit. Wenn die Polizisten das Gefühl haben, dich weichkochen zu können oder schon weich zu haben, fragen sie dich immer weiter, schließlich ist das für sie auch die einfachste Art, an Informationen zu kommen.Versuch also nicht, dem sehr verständlichen Drang nachzugeben, von dir aus etwas zu unternehmen, um die Gefangenensituation zu beenden, außer du kannst durch Wände laufen . . . Und denke immer daran: Die Vernehmungssituation beginnt nicht erst im Vernehmungszimmer vor der Schreibmaschine der Protokollantin -sie ist immer da, wenn dir ein Beamter gegenübersitzt: im Streifenwagen, im Flur des Polizeireviers, überall.

1.3. Selbstsicherheit bei Festnahme und Vernehmung

Die Polizisten versuchen, dich unsicher zu machen. Sie bemerken an dir (oder nehmen es einfach aus Erfahrung an) eine innere Unsicherheit, eine Art schlechtes Gewissen, ein Gefühl der Minderwertigkeit. Dieses Gefühl wird von ihnen provoziert, indem sie dich wie den letzten Dreck behandeln: du wirst in eine verdreckte, stinkende Zelle geworfen, du musst aus einer Plastikschüssel essen . .. man geht so achtlos wie nur möglich mit dir um oder man schlägt .dich sogar. Man nimmt deine Fingerabdrücke ab und macht ein Verbrecherfoto von dir. Sie versuchen dich in eine niedergedrückte, eingeschüchterte Stimmung zu bringen, indem sie dich wie einen lästigen, schmutzigen Gegenstand behandeln: Na komm schon her du Bürschchen! Stell dich da hin! Gib deine Pfoten her. . ..' Pack dich mal dahin . . ..'" Umgekehrt zwingen sie dich, deine Ohnmacht und Minderwertigkeit scheinbar zu bestätigen, indem du mit allen deinen physischen Bedürfnissen, Essen, Trinken, Schlafen, aufs Klo gehen, auf sie angewiesen bist. Sie können sich taub stellen, wenn du aufs Klo musst, wenn du schlafen willst, wenn du Hunger hast, wenn du eine Zigarette rauchen willst. Weil du weißt, wie ohnmächtig du ihnen gegenüber bist, wirst du versuchen, wenigstens für deine physischen Bedürfnisse zu sorgen. Aber auch das nehmen sie als Gelegenheit, dich zu „drücken", einzuschüchtern. Sie entwickeln eine ganze Skala von Quälereien. Sie machen sich lustig über dich, zeigen ihre Verachtung für dich und deinesgleichen. Diese Schmähung der Gefangenen durch ihre Bewacher ist ein. uraltes Ritual.

Der Zustand in dem sie dich haben wollen

Diese Schmähung dient vor allem dazu, den äußerlich Überwältigten auch noch die innere Widerstandskraft zu nehmen. Der innere Widerstand, die persönliche Würde und die Selbstachtung eines Menschen sollen nichts mehr finden, worin sie sich ausdrücken können. Man verfährt mit allen Verhafteten auf genau dieselbe Weise, mit einer sozialen Verachtung gegenüber der Unterklasse, aus der sie meistens kommen. Oder auch mit einem politischen Hass gegen denjenigen, der das System bekämpft, das auf solche Beamtenexistenzen angewiesen ist. Du bist als Mensch nichts mehr, du bist nur noch ein verachteter Typus, ein Schädling, ein überflüssiges, niederes Wesen. Diese Überflüssigkeit wird dir ständig vor Augen geführt. Und das allein kann dich schon dazu bringen, dass du aufgibst, weil du diesen Zustand nicht erträgst. Du wirst bemerken, dass die innere Unruhe, die du schon die ganze Zeit gefühlt hast, sich immer mehr steigert, so sehr du auch dagegen ankämpfst. Etwas wie ein Fieber hat dich gepackt, du fühlst dich, als hättest du viel zu viel Kaffee getrunken. Du zitterst, du sprichst nicht mehr deutlich, sondern leise, gequält, mit zugeschnürter Kehle. Du bist, ohne dass du es willst, bereits in dem Zustand, in dem sie dich haben wollen.

Versuche dich zu beruhigen

In diesem Zustand spricht alles, was du sagst, von vornherein gegen dich - denn sie bemerken daran hauptsächlich deine Unsicherheit und deine Angst. Sie werden dir also erst recht zusetzen. Was dich in diesem Moment nur vor ihnen retten kann, ist: Schweigen! Vollkommen stumm werden! Versuche dich zu beruhigen, indem du dir sagst: Es kann mir nichts passieren, solange ich nichts sage, wovon sie ein Protokoll schreiben können. Solange ich nichts sage, existiert der Vorgang nicht in den Akten. Er kann also gar keine Auswirkungen haben. Versuche einen festen Punkt in deinen Gedanken zu finden, von dem du weißt, dass er dich beruhigen und dein Selbstvertrauen stärken wird. Fixiere dich auf diesen Punkt. Versuche dir vorzustellen, was in deinen Peinigern vorgeht - worauf sie aus sind: auf Beförderung, Gehaltserhöhung? Du wirst es vielleicht an ihren Gesprächen merken. Es sind die gleichen Gespräche wie in allen Büros, die sich um Wohnung, Möbel, Auto und Urlaub drehen. Versuche dir das Privatleben aller dieser Leute vorzustellen, wie langweilig und ohnmächtig ihr Leben ist.

eine Phantasie als „Notwehr"

Sie versuchen, dich kleinzukriegen. Dem kannst du aber deine ganze Phantasie entgegensetzen. Du kannst dir vorstellen, wie klein sie sind.Beispiel vorstellen, wie dein Vernehmer von seinem Chef heruntergemacht wird, weil er keine Aussagen vorweisen kann. Sieh ihn dir an und stelle dir vor, wie er dann schwitzen wird. Stell dir vor, was alles passieren könnte, womit sich deine Peiniger selbst lächerlich machen können. Benutze deine Phantasie!

Konzentriere dich

Versuche regelmäßig, ruhig und tief zu atmen. Mache unauffällig einige Atemübungen (näheres dazu findest du in dem entsprechenden Abschnitt im medizinischen Teil des Buchs). Wenn ein Fenster da ist, sieh hinaus, fixiere deinen Blick auf etwas, was du da siehst - einen Baum, eine Wolke - und beschäftige dich intensiv in Gedanken mit dem Baum, der Wolke, so als ob du sie zeichnen würdest oder in einem Aufsatz beschreiben wolltest. Wenn du nichts siehst, weil kein Fenster da ist oder es Nacht ist, fixiere dein Gehör auf bestimmte Geräusche, z.B. das quäkende Funkgerät, oder hereindringenden Straßenlärm und versuche, dieses Konzentrieren so weit zu steigern, dasss du „überhörst", was sie sagen,dassss es für dich völlig unwichtig wird. Ein längeres Verhör übersteht man nur mit einem starken Gewissen, das einem sagt, dass man niemals eine Aussage machen darf, die andere belasten könnte. Und du weißt nie, wann das der Fall ist. Du kannst es in deiner Situation auch gar nicht wissen. Stell dir die Menschen vor, die du liebst und die du mit deiner Aussage vielleicht belasten würdest. Ein solcher Verrat würde bedeuten, dass du dann wirklich allein bist, während du jetzt nur im Moment allein bist. Versuche das Bild dieser Menschen, die dir etwas bedeuten, festzuhalten. So gut es geht.

1.4. Im Polizeigewahrsam

Bevor du in ein Untersuchungsgefängnis kommst, bzw. dem Haftrichter vorgeführt, wirst du vielleicht ein, zwei Tage in Polizeizellen zubringen. Die Polizeizellen sind meistens schauderhaft verdreckt und gleichen am ehesten der verbreiteten Vorstellung vom Knast: Klappbett aus Eisen, oder nur ein Brett längs der Wand, keine Einrichtung, keine Sicht nach draußen, überall nur dreckige Wand und Eisen. Für jemanden, der noch nie im Knast war, ist das ein ziemlicher Schock. Er glaubt natürlich, dass es im Knast genauso aussähe. Das ist auch der Zweck der Sache. Im Polizeigewahrsam wirst du noch einmal registriert.Wenn es bisher noch nicht geschehen ist, so mußt du damit rechnen, zur Erkennungsdienstlichen Behandlung (ED) geholt zu werden. Dort werden dann deine Fingerabdrücke abgenommen und die Verbrecherfotos gemacht - notfalls mit Gewalt. Gegen entstellende Grimassen können sie allerdings nicht viel unternehmen. Du kannst gegen die ED-Behandlung deinen Einspruch zu Protokoll geben, aber verhindern tust du sie damit jedoch nicht. ( Wichtig ist, bei einer evtl. bei dir vorliegenden schweren Krankheit, diese sofort zu Protokoll zu geben und die sofortige Untersuchung durch einen Arzt zu verlangen. Auch in den Polizeizellen bist du mit anderen Gefangenen zusammen. Die Polizeizellen sind meistens überfüllt, und eine Trennung der Gefangenen gelingt selten, weil dafür die Zellen nicht ausreichen. So erfährst du manches, was dich interessiert. Meistens hast du auch noch Rufkontakt zu denen, die mit dir festgenommen worden sind. Lass dich nicht von dazwischenbrüllenden Bewachern daran hindern. Aber sei auch, gegenüber Mitgefangenen vorsichtig. Du musst mit allen Tricks rechnen, auch damit, dass Mitgefangene oder angebliche Mitgefangene auf dich angesetzt werden. Rede mit ihnen über alles, nur nicht über dein Verfahren. Die Polizeizelle erscheint dir aber auch erstmal erlösend, denn du bist die ewig fragenden Vernehmungsbeamten los; du kannst also erstmal Luft holen. Allerdings weißt du nicht, was wird und ob schon irgendjemand deine Familie oder Freunde von deiner Verhaftung benachrichtigt hat usw. . . . Dann ist es ganz besonders schwierig, Ruhe zu bewahren und keine Aussagen zu machen (falls sie dich noch mal zur Vernehmung holen), weil du dich vollkommen alleingelassen fühlst und unsicher und ängstlich bist, was jetzt draußen mit deiner Familie und bei deinen Freunden passiert. Manchmal holen die Vernehmungsbeamten einen nochmal nachts aus der Zelle, um wieder zu „bohren" und deine beschissene Lage auszunutzen. Versuche in der Zeit, die du in der Zelle allein bist, dich auf die Vorführung zum Haftrichter vorzubereiten, indem du dir lang und genau überlegst, wie du dich beim Richter verhalten willst.

1.5. Vor dem/ der Haftrichter_In

Laut Gesetz muss ein Verhafteter bis zum Ablauf des nächsten Tages dem Haftrichter vorgeführt werden. Das heißt, wenn du zum Beispiel am Montag um 14.00 Uhr verhaftet wirst, musst du bis spätestens Dienstag 24.00 Uhr dem Haftrichter vorgeführt werden.Ähnlich wie diese Vorführung läuft auch ein Haftprüfungstermin ab, der auf deinen Antrag hin durchgeführt werden muss. Wenn du keinen Anwalt hast, muss die Haftprüfung auch ohne Antrag nach 3 Monate stattfinden (§ 117 Strafprozessordnung). Wenn du dem Haftrichter gegenüberstehst, kannst du verlangen, zuerst mit einem Anwalt zu sprechen. Du hast ein Recht darauf, dass eine weitere Person, die du benennst, von deiner Verhaftung unterrichtet wird. Das kannst du entweder selbe machen, oder der Haftrichter macht das. Pass dabei auf, dass du nicht Personen nennst, für die es Vielleicht nicht so gut ist, mit dir in Verbindung gebracht zu werden. Gib also als Person deines Vertrauens an besten deine Eltern (sofern du noch was mit ihnen zu tun hast), deine Verlobte (wenn diese „Verbindung" bekannt ist), Ehepartner, irgendwelche Verwandten oder die Wohngemeinschaft an. Aber möglichst nur Leute, von denen es sowieso bekannt ist, dass sie was mit dir zu tun haben. Gib deine Förderungen auf jeden Fall zu Protokoll und versuch dem Haftrichter klar zumachen, dass du ohne Anwalt überhaupt nichts sagst. Du lässt dabei am besten im unklaren, ob du dann mit dem Anwalt eine Aussage machst oder nicht, denn dann bemüht sich der Haftrichter manchmal sogar selbst darum, dass der Anwalt, den du haben willst, auch herbei kommt.

Wenn du es für zweckmäßig hältst, dich auf überhaupt nichts einzulassen, ist die ganze Prozedur schnell überstanden: Du schweigst. Du sagst lediglich, dass du dich nicht äußern möchtest. Aus welchem Grund, kannst du für dich behalten. Unterschreib auch nichts. Du solltest daran denken, wenn du einen Anwalt hinzuziehst, dass der dann unvermeidlich für dich verhandeln wird.

Wenn du selbst den Anwalt und .(oder) die Person deines Vertrauens anrufen kannst, dann sag nur, dass du festgenommen bist und wo du bist. Auf keinen Fall über die Umstände der Verhaftung und weiteres am Telefon etwas sagen, denn dann fängst du schon ungewollt damit an, dein Schweigen zu durchbrechen. Auch auf Nachfragen am Telefon nicht reagieren, so schwer das auch fällt. Der Haftrichter verliest dann den Haftbefehl - falls schon einer besteht - und fragt dich, was du dazu zu sagen hast. Liegt allerdings noch kein Haftbefehl gegen dich vor, so nennt der Staatsanwalt das, was dir vorgeworfen wird, welche Vorstrafen du hast, welche Haftgründe er bei dir als gegeben sieht und beantragt, einen Haftbefehl gegen dich zu erlassen. Für dich ist es wichtig, zu hören was dir genau vorgeworfen wird und was bisher gegen dich ermittelt wurde, damit du weißt, woran du bist und was und wieviel die Staatsanwaltschaft gegen dich hat. Es ist sehr oft der Fall,dasss die Staatsanwaltschaft nicht alles bei der Haftprüfung rausläßt, was sie gegen dich ermittelt hat, oder sie täuscht mehr Erkenntnisse vor, als sie tatsächlich besitzt, oder sie will einfach ein As im Ärmel! behalten. Verlass dich also nicht' auf die Aussägen des Staatsanwalts über die Ermittlungsergebnisse.

Die Haftgründe

Ein Haftbefehl wird erlassen bei „dringendem Tatverdacht", was dann auch genau im Haftbefehl stehen muss, d.h. die Gründe für diesen Verdacht müssen im Haftbefehl aufgeführt werden. Diese angeblichen Ermittlungsergebnisse der Polizei gegen dich sind die sogenannten Tatvorwürfe, zu denen zur Ausstellung des Haftbefehls noch einer der „Haftgründe" hinzukommen müssen. Das sind:

1.Fluchtgefahr: Der Richter unterstellt, dass du abhauen willst, weil die dir vorgeworfene Tat so ist, dass du mit einer längeren Strafhaft rechnest und weil du nichts hast, was dir so wichtig ist, dass du den Prozess abwartest. Wichtig im Sinne des Richterdenkens sind ein fester Wohnsitz und feste soziale Bindungen (Ehe, Kinder, etc.).

2.Verdunklungsgefahr: Der Richter nimmt an, dass du die Freiheit dazu benutzen willst, die Aufklärung des Verbrechens durch Bestechung von Zeugen, Beseitigung von Spuren zu „verdunkeln".

3.Wiederholungsgefahr: Die gibt es nur bei bestimmten Delikten, zum Beispiel schwere Körperverletzung, schwerer Diebstahl, Brandstiftung ..., wenn für den Richter erwiesen ist,.dass du solche Straftaten schon wiederholt begangen hast (Vorstrafen) und er annimmt, dass du bis zu deiner Verurteilung noch weitere machen wirst.

4.Bei den Tatvorwürfen Mord, Totschlag, Völkermord, terroristische Vereinigung wird grundsätzlich ein Haftbefehl erlassen.

In der Praxis sieht das so aus: Bei schweren Tatvorwürfen wird auf jeden Fall ein Haftbefehl erlassen, weil der Richter dann immer Fluchtgefahr und Verdunkelungsgefahr annehmen wird. Bei kleineren Delikten wie Diebstahl, Betrug, Einbruchsdiebstahl hängt der Haftbefehl davon ab, ob du vorbestraft bist und ob du festen Wohnsitz und feste soziale Bindungen hast.

Dein Verhalten gegenüber dem Haftrichter

Etwas sagen solltest du nur zu dem Punkt „Fluchtgefahr", indem du angibst, dass du einen festen Wohnsitz hast und fest soziale Bindungen: Frau, Mann, Kinder, Verlobte/r, langjährige Freunde etc. - aber aufpassen, wen du nennst! Wenn du einen festen Arbeitsplatz hast, ist das ein Argument, was jeden Richter am ehesten davon überzeugen wird, dass du nicht fliehen willst. Wenn du keinen festen Wohnsitz hast, dann kannst du immer noch einen möglichen festen Wohnsitz, etwa bei deinen Eltern oder Freunden, für die nächste Zeit nennen. Diese Angaben haben alle nicht direkt mit der vorgeworfenen Tat zu tun, so dass du dazu ruhig was sagen kannst. Zu den Haftgründen „Verdunkelungsgefahr" und „Wiederholungsgefahr" solltest du gar nichts sagen, weil du dann unweigerlich in eine Diskussion über die dir vorgeworfene Straftat eintrittst. Zum Tatvorwurf selbst solltest du auch nichts sagen, denn das wird sofort im Protokoll festgehalten und spätestens in der Gerichtsverhandlung gegen dich verwandt.

Versuch auch nicht jetzt, die Polizei auszutricksen, weil du meinst, ihren Ermittlungsstand zu kennen. Denn meistens lassen sie nicht alles raus, was sie haben, und du gibst ihnen nur ungewollt Hinweise darauf, wo sie weiterschnüffeln können. Lass dich auch nicht durch dreiste Lügen der Polizei dazu verleiten, dem Haftrichter erklären zu wollen: „ Wissen Sie, das stimmt alles gar nickt, sondern das war so . . ." Es gibt eigentlich nur eine einzige Situation, in der du eine Aussage machen kannst - mit oder ohne Anwalt. Nämlich dann, wenn du den Tatvorwurf kennst und ganz einfach und ganz sicher nachweisen kannst, dass du das nicht gewesen bist. Zum Beispiel: Dir wird ein Bankraub in München vorgeworfen, du hast nachweislich zu genau der Zeit in Hamburg gearbeitet oder ähnlich klare Situatio­nen. Eine Aussage ist also nur dann sinnvoll, wenn die Vorwürfe absolut nichts mit dir zu tun haben und dein Alibi jeder Überprüfung standhält. Wenn du allerdings nicht ganz sicher bist, ob du durch deine Aussagen nicht jemand anders belastest, dann sag lieber nichts.

Am Ende der ganzen Haftprüfung beantragt dann der Staatsanwalt, einen Haftbefehl gegen dich zu erlassen oder den schon bestehenden aufrecht zu erhalten. Du kannst jetzt beantragen:

a) wenn noch kein Haftbefehl existiert: . . . dem Antrag der Staatsan­waltschaft nicht stattzugeben und dich unverzüglich freizulassen . . ,

b) wenn schon ein Haftbefehl besteht:...den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise, den Haftbefehl außer Vollzug zu

Wichtige Anträge an den Haftrichter

Wird der Haftbefehl dann aufrechterhalten oder erlassen, so kannst du noch einige Anträge stellen, bevor der Haftrichter dich abführen lässt.Hast du mittlerweile einen Anwalt, so wäre das eigentlich dessen Sache, aber wenn der es nicht tut, musst du es notfalls selber tun.

Antrag auf mündliche Haftprüfung

Du bestehst darazf, diesen Antrag direkt ins Protokoll eintragen zu lassen. Dann musst du ihn nicht später schriftlich stellen. Die Haftprüfung muss dann innerhalb von 14 Tagen durchgeführt werden, wenn du nicht einer Verlängerung dieser 14-Tagesfrist zustimmst. Ohne Anwalt solltest du erstmal auf alle Fälle auf die Haftprüfung nach 14 Tagen bestehen, denn die Einschätzung, ob eine Verlängerung der 14- Tagesfrist gut für dich ist, kannst du ohne Anwalt nicht leisten. Wenn du dann einen Anwalt haben solltest, kannst du mit dem immer noch darüber reden.

Antrag auf doppelte Aktenführung

Doppelte Aktenführung heisst, dass sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Haftrichter Akten von deinem Fall besitzen, während normalerweise die Akten nur bei der Staatsanwaltschaft sind. Die doppelte Aktenführung beschleunigt die zensur deiner Knastpost, die Genehmigung von Besuchen und die bearbeitung all deiner Anträge durch den Haftrichter, weil er sich dann nicht jedesmal die Akten von der Staatsanwaltschaft kommen lassen muss. Ausserdem ist es für den Verteidiger einfacher, direkt beim Richter Einsicht in die Akten zu bekommen.

Anträge auf Sachen stellen, die du gleich in der Zelle haben willst

Gemeint sind z.B. Schreibmaterialien, Radio etc. (siehe dazu auch den Abschnitt 2.3. "Am ersten tag erledigen"). Wenn du diese Anträge gleich bei der Haftprüfung stellst und sie erfolgreich sind, hast du die Sachen viel eher, als wenn du erst später von der zelle aus deine Anträge machst. Du kannst die Anträge dem Richter auch schriftlich auf den Tisch legen, wenn du nicht mit ihm reden willst. Lehnt der haftrichter deinen mündlichen Antrag ab, kannst du ihn auf jeden fall nochmal schriftlich stellen (lies dazu im Rechtsmittelteil nach). In der regel wird der Haftrichter dich nach der verkündung des Haftbefehls gleich abführen lassen. Lass dich nicht gleich abwimmeln und besteh darauf, deine Anträge zu stellen. Wenn du hier hartnäckig bist, kann dir das die nächste Zeit um einiges erleichtern.

1.6. Im Transportwagen

Nachdem ein Haftbefehl ausgestellt worden ist, steht dir ein mehr oder weniger langer Transport bevor. Er kann Minuten, Stunden oder auch Wochen dauern, je nachdem, wo die für dich zuständige U-Haftanstalt liegt. Die Transportbusse verkehren nur zwischen den Gefängnissen, die benachbart liegen. Längere Strecken sind selten. Oft dauern deshalb solche Fahrten von Knast zu Knast wochenlang, wenn zum Beispiel! ein Gefangener von Lübeck oder Hamburg nach Stuttgart oder Nürnberg gebracht wird.

Die ganze Strecke auf einmal, eingesperrt in der Kiste mit schlechter Lüftung, würde auch keiner durchstehen. Es gibt verschiedene Arten von Transportbussen. Die Polizeitransportwagen sind kleiner als die der Justiz und haben oftmals keine Fenster. Sie verkehren nur zwischen den Polizeizellen (Reviere und Präsidium) und den nächstliegenden Haftanstalten. Ihre Entlüftung ist miserabel, besonders in den kistenartigen Verliesen ohne Fenster. Wer es nur kann, sollte vermeiden zu rauchen. Das gilt auch für die großen Transportbusse, die zwischen den Gefängnissen verkehren. Die Luft in einer solchen Kiste, in der man innerhalb des Wagens eingesperrt ist, wird vom Tabaksqualm absorbiert, und man atmet nur noch den Qualm. Aber auch ohne das kann es zu Atemnot und Panik kommen. Man glaubt, zu ersticken. Vor allem, wenn kein Fenster da ist, wenn man in einer vollkommen geschlossenen, engen Kiste hin- und hergeworfen wird und die Luftzufuhr nicht sehen kann, ist das ein qualvoller Zustand.

Wie kann man sich im Transportbus einigermaßen zweckmäßig verhalten?

Vor allem nicht rauchen! Die Strecken sind meistens nicht allzu lang, so dass man auch als starker Raucher ohne Zigaretten solang auskommen kann. Wenn ein Fenster da ist, sich ganz auf das, was man da sieht, konzentrie­ren. Das ist selbstverständlich, soll aber hier verstanden werden als Ablenkung von übersteigerter, angstvoller Selbstbeobachtung. Wer längere Zeit im Knast war, weiß, dass man bereits nach einem Jahr akut „knastkrank" ist - dass Kreislaufstörungen und Angstzustände dann ständige Begleiter werden. Die Gefahr des Luftmangels wird besonders akut, wenn der Wagen längere Zeit steht - und vielleicht auch noch in der prallen Sonne. Wenn du kannst, versuche Fahrer oder Beifahrer darauf anzusprechen, dass der Wagen wenigstens in den Schatten gefahren wird und dass die vorderen Einstiegstüren geöffnet werden. Wenn du das Gefühl hast, du bekommst keine Luft mehr, dann verlange, rausgelassen zu werden. Aber mach dabei nichts falsch! Du solltest den Eindruck vermeiden, du wolltest Krach schlagen oder zu fliehen versuchen. Schaue in die Fahrtrichtung, um Übelkeit zu vermeiden. Mache Atem- und Entspannungsübungen, wie sie weiter unten im medizinischen Teil beschrieben sind, um Erstickungs- und Platzangst zu bekämpfen.

Der "alte" Ratgeber