Besondere rechtliche Probleme von migrantischen Gefangenen

Aus Gefangenenratgeber

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7.5. Besondere rechtliche Probleme von ausländischen Gefangenen

Sie resultieren zum einen wieder aus den sprachlichen Schwierigkeiten -vor allem aber aus der Praxis des Aüfenthaitsrechts durch die Ausländer­behörden. Du bist als Ausländer in besonderem Maße von einem Anwalt abhängig. Da man aber nunmal nicht immer einen hat, hier einige wichtige rechtliche Hinweise:


Der Umgang mit den Behörden

Ein für die Ausländer bedeutsamer rechtsstaatlicher Grundsatz im •Umgang mit den Behörden: Kann ein Ausländer nicht so gut oder gar nicht deutsch sprechen - und das dürfte für die meisten zutreffen - so dürfen ihm daraus keine Nachteile entstehen. Konkret heißt das: Die Behörde hat selbst dafür zu sorgen, daß seine Anträge, Beschwerden etc. ins Deutsche übersetzt werden bzw. daß ihm ein Dolmetscher in den Knast geschickt wird. Ebenso müssen die Ant­worten der Behörde, Gerichtsentscheidungen und die Rechtsmitteibe-lehrungen in die Sprache des Gefangenen übersetzt werden. Geschieht das nicht - was leider nicht selten ist - so sind sie ungültig. Dies ist in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt worden, auf die man sich notfalls auch berufen kann. Sie" ist veröffentlicht in Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen (BVerfGE) Band 42, S. 120 ff. Auch Formfehler, die auf Grund mangelnder Sprachkenntnis zustande gekommen sind, dürfen nicht zu deinem Nachteil ausgenutzt werden. Fristen, die du aus diesem Grunde versäumst, müssen für dich verlängert werden. Notfalls mußt du dann einen Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" stellen, den du damit begründest, daß du die Frist wegen Sprachschwierigkeiten nicht einhalten konntest. Es gibt Dolmetscher, die sich - besonders wenn sie selbst Ausländer sind - den Gefangenen gegenüber hilfsbereit und solidarisch verhalten. Merke dir den Namen eines solchen Dolmetschers und verlange ihn, wenn nötig, zu sprechen. Vielleicht können dir auch Freunde oder Initiativgruppen von draußen einen Dolmetscher besorgen. Ansonsten kann es sinnvoller sein, sich bei Sprachschwierigkeiten von sprachkundigen Mitgefangenen helfen zu lassen.


Abschiebehaft

Die "Abschiebehaft" ist dazu da, zu garantieren, daß der Ausländer, den der Staat loswerden will, auch tatsächlich abgeschoben werden kann. Sehr oft kömmt man direkt aus der U-Haft oder Strafhaft in die Abschiebehaft. In vielen Fällen diente jedoch die Festnahme allein dem Zweck, dich in Abschiebehaft zu nehmen. Die Ausländerbehörden legen es dabei darauf an, ihre Opfer zu überra­schen und damit zu verhindern, daß sie sich einen Anwalt nehmen und rechtlich gegen die drohende Abschiebung vorgehen. Was kann man nun tun, wenn man keinen Anwalt erreicht? Sofort Widerspruch einlegen. Man schreibt an die Ausiänderbehörde, die die Abschiebung verfügt hat: "Hiermit lege ich gegen ihre Verfügung vom . . . Widerspruch ein. Mein weiterer Aufenthalt gefährdet nicht die öffentlichen Belange der Bundesrepublik Deutschland. . ." Hier kann man nun zu seinem Einzelfall noch nähere Ausführungen machen und damit die Gründe, die die Behörde für ihre Ausweisungsverfügung genannt hat, zu widerlegen versuchen. Außerdem kann man grundsätz­lich abschließend vermerken: "Darüber hinaus ist durch die Auswei­sungsverfügung die Verhältnismäßigkeit der Mittel verletzt." Die Behörde wird dann mit einem "Widerspruchsbescheid" antworten und möglicherweise neue Gründe für deine Ausweisung nachschieben, denen du dann wiederum etwas entgegensetzen müßt. Das Widerspruchsverfahren dauert eine Weile, und man könnte sich daher das weitere Vorgehen in Ruhe mit einem Anwalt überlegen, wenn nicht im Normalfall die Behörde die aufschiebende Wirkung, die ein damit ermöglicht, daß du trotz Widerspruchs sofort abgeschoben wirst. Es gibt hier jedoch eine juristische Möglichkeit, dem entgegenzutreten, die du, wenn du keinen Anwalt erreichen kannst, selbst wahrnehmen mußt: Du stellst einen sogenannten "Stopantrag" gemäß § 80, Abs.5 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) an das örtlich zuständige Verwal­tungsgericht, mit dem Inhalt, daß der von dir eingelegte Widerspruch (siehe oben) aufschiebende Wirkung besitzen solle. Zweck dieses Antrags ist es, eine Atempause zu erwirken, um sich einen Anwalt zu nehmen und in Ruhe einen Weg oder eine Strategie zu finden. Wird dem Antrag stattgegeben, so entfällt normalerweise auch der Grund für die Abschiebehaft. Welches Verwaltungsgericht für den "Stopantrag" zuständig ist, kannst du der Abschiebungsverfügung entnehmen und zwar in dem Abschnitt, der mit "Rechtsbehelfsbelehrung" überschrieben ist und der -wenn nötig- in deine Sprache übersetzt sein muß. Und so sieht der ganze Antrag dann aus:

An das Verwaltungsgericht(in dessen Einzugsbereich die Polizei- und Ordnungsbehörde, die dich abschieben will,ihren Sitz hat)

- Aktenzeichen - Eilt! Bitte sofort vorlegen! In dem Verwaltungsstreitverfahren des ......... , (Staatsangehörigkeit) (Adresse)

— Antragsteller — gegen die Stadt,Polizei-und Ordnungsbehörde, Abteilung, (Adresse)

-Antragsgegner - wegen: Anordnung der aufschiebenden Wirkung

beantrage ich 1. die aufschiebende Wirkung meines Widerspruchs vom gegen die Ausweisungsverfügung des Antragsgegner vom gem. §80 Abs. 5 VwGo wiederherzustellen, 2. dem Antragsgegner aufzugeben, den Vollzug der Ausweisungsver­fügung vom bis zur, Entscheidung über den zu 1. gestell­ten Antrag auszusetzen. 3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Begründung: Ich wurde durch die Verfügung des Antragsgegners vom aus der BRD ausgewiesen. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet. Gegen die Ausweisungsverfügung vom habe ich durch Schriftsatz vom Widerspruch eingelegt. Im Falle des sofortigen Vollzugs der angefochtenen Verfügung droht mir nicht wiedergutzumachender Schaden. An dieser Stelle mußt du Gründe dafür angeben, warum es für dich ungeheuer wichtig ist, in der BRD zu bleiben - warum du nicht in dein Heimatland abgeschoben werden willst, dazu kommen einige mögliche Gründe weiter unten. Wir haben eine Liste von "Lebensumständen" aufgestellt, die du durch­gehen solltest, ob etwas davon auch auf dich zutrifft, du also damit argumentieren kannst, oder ob es etwas ähnliches in deinem Leben gibt, was du anführen könntest: - Studium, das bloß in der BRD zu Ende zu führen ist, - Familie, die auseinandergerissen wird - es ist aus den und den Gründen für Frau/Mann/Kind unzumutbar nach zu kommmen etc., - Arbeitsplatz (aufpassen, wenn du keine Arbeitserlaubnis hast), - eine medizinische Behandlung, in der du dich befindest, die nur durch Ärzte, die deine Krankheitsgeschichte kennen und auch über die geeigneten therapeutischen Mittel und Anstalten verfügen, ohne schwerwiegende Nachteile für deine Gesundheit und dein Leben her­beizuführen, zu Ende zu führen ist, - Finanzierung des Lebensunterhalts - wenn du ihn durch Arbeit, Sti­pendium etc., also ohne die "Gefahr" für die Behörden, du könntest ihnen zur Last fallen, selbst bestreitest.

Wichtig ist bei all diesen Argumentationen folgende Vorgehensweise: Du schilderst erst einmal lang und breit die Situation, z.B.:

Seit dem studiere ich dort und dort. Bis jetzt habe ich über die Hälfte meines Studiums absolviert etc.

Dann erst, was du daraus folgerst:

Durch eine Ausweisung wäre es mir unmöglich gemacht worden, das Studium in der Weise zu Ende zu führen, wie ich es bisher vorgehabt habe.

Schildere deine Situation, wenn du in dein Heimatland abgeschoben würdest. Du mußt möglichst glaubhaft machen, daß dir die schlimmsten Repressalien drohen. Das gelingt dir am ehesten, wenn du Beispiele von politischer Verfolgung von Verwandten, dir politisch nahestehender Personen, eigene Erlebnisse dieser Art nennen kannst. Grundsätzlich ist es immer am besten, wenn du die Begründung der Ausweisungsverfügung widerlegen kannst. Für den Fall, daß die Ausweisungsverfügung damit begründet wird, daß du in einer politischen Gruppe mitarbeitest, schreibst du:

Grundsätzlich ist nach § 1 Abs. 1 Vereinsgesetz in Zusammenhang mit Artikel 1 Abs. 1; 2 Abs. 1 sowie 5 Abs. 1 Grundgesetz aus den obersten und für alle staatlichen Maßnahmen gültigen Grundsätzen der Verfassung ableitbar, daß auch das Vereinigungsrecht Ausländern garantiert ist und trotz des redaktionellen Vergessens des Ausländers in der Verfassung in Art. 8 Abs. 1, 9 Abs.l Grundgesetz die politische Betätigung von Ausländern in der Bundesrepublik verfassungsgemäß ist.

Du kannst vielleicht weiter argumentieren, daß die Gruppe, in der du gearbeitet hast, nicht verboten ist, legale politische Arbeit macht usw. Schreibe:

Das öffentliche Interesse wird durch meine Anwesenheit in der BRD während der Dauer des Widerspruchsverfahrens nicht beeinträchtigt.

Du solltest hier sagen, was du weiter in der BRD zu tun gedenkst, wenn das günstig für dich auslegbar ist. Für den Fall, daß parallel ein Asylantrag läuft:

Im Falle der sofortigen Ausweisung wäre die Gefahr und geradezu Sicherheit der endgültigen Rechtsvereitelung gegeben. Im Falle der Abschiebung ist es mir unmöglich (aus finanziellen Gründen, weil ich inhaftiert werde) das Asylverfahren weiter zu betreiben.

Wenn es stimmt, dann füge hinzu:

Ich habe nie versucht, unter Umgehung ausländerrechtlicher Vor­schriften mir in der BRD einen Aufenthalt sowie eine Arbeitserlaubnis zu erschleichen.

Unterschrift nicht vergessen!


Die Haftbedingungen in der Abschiebehaft

Für die Abschiebehaft gilt weitgehend das, was für die Strafhaft bisher gesagt wurde. Es besteht allerdings keine Arbeitspflicht.


Politisches Asyl

Eine andere rechtliche Möglichkeit, eine Abschiebung oder auch eine Auslieferung zu verhindern, kann ein Antrag auf "politisches Asyl' sein, den man auch neben dem "Stopantrag" (siehe oben) stellen kann. Auch hier gilt: Wenn es irgendwie möglich ist, sollte es ein Anwalt für dich machen, weil man hier sehr viele Fehler machen kann und weil, wie in kaum einem anderen Bereich, die Behörden ihre eigenen Gesetze miß­achten, wenn sie glauben, es sich leisten zu können. Außerdem ist eine politische Schützenhilfe durch Gruppen oder Organisationen wie amne-sty international wichtig. Du mußt angeben, daß du dich in deinem Heimatland politisch betätigt hast und dadurch von dem dort herrschen­den Regime verfolgt wirst und daß dadurch für dich Gesundheit, Leib, Leben und materielle Existenz in jenem Land bedroht ist. Der Asylan­trag sieht dann folgendermaßen aus:

Ich beantrage 1. mich als Asylberechtigten im Sinne von Art.16 Abs.2 des Grundgesetzes anzuerkennen. 2. mir gemäß Ausländergesetz Duldung zu erteilen.

Begründung: Hier kommt nun eine kurze Darstellung der Situation, wegen der du dein Heimatland verlassen mußtest, warum also dort wegen deiner politischen Betätigung dein Leben, Leib, deine materielle Existenz.gefährdet sind. Es ist sinnvoll, Berichte und Zeitungsartikel über die Zustände in dem betreffenden Land miteinzureichen. Geeignetes Material kann man viel­leicht von Initiativgruppen bekommen (s. Adressen teil). Der Asylantrag geht zunächst an die zuständige Ausländerbehörde. Diese prüft zunächst, ob hier nicht etwa ein "rechtsmißbräuchlicher Asylantrag" vorliegt. Kommt sie zu der Ansicht, du würdest mit deinem Antrag "asylfremde Zwecke" verfolgen - und das tut sie in der letzten Zeit immer häufiger, dann wirst du so behandelt, als hättest du keinen Asylantrag gestellt, d.h. unter Umständen abgeschoben.


Der "verspätete" Asylantrag

Die Ausländerbehörde wird sehr oft gerade dann einen Asylantrag für ungültig erklären, wenn man schon eine Zeitlang in der BRD war und erst jetzt in Abschiebehaft, aiso im letzten Augenblick den Asylantrag stellt. Du musst daher in deinem Asylantrag plausibel begründen können, warum du erst jetzt zu diesem Mittel greifst und nicht bereits unmittel­bar, nachdem du in dieses Land eingereist bist. Ein solcher Grund könnte sein, daß die Bedrohung für dich in deinem Heimatland erst später — also während deines Aufenthalts in der BRD -eingetreten ist (sogenannte "Nach-Fluchtgründe"), zum Beispiel weil in deinem Land in deiner Abwesenheit ein faschistischer Putsch stattgefun­den hat und du nun wegen deiner früheren Aktivitäten mit Verfolgung rechnen mußt, wenn du zurückkehren würdest. Oder: Du bist erst in der BRD offen als politischer Gegner des in deinem Heimatland herrschen­den Regimes aufgetreten und mußt deshalb zuhause mit Verfolgung rechnen. Alles muß jedoch wiederum kurz vor deiner Antragstellung passiert sein! Liegt eine "unverzügliche" Antragstellüng in keinem Fall vor, so muß für die Verspätung ein anerkannter Grund gefunden werden. Infrage kommt, daß du befürchten mußtest, daß zurückgebliebene Angehörige durch deinen Asylantrag der Verfolgung ausgesetzt wären oder daß du Angst vor Vergeltungsaktionen der im Auftrag deines Herkunftslandes tätigen Geheimdienste hättest. Die Chancen damit durchzukommen, d.h. daß der Asylantrag überhaupt als solcher zur Kenntnis genommen wird, stehen besonders dann, wenn man keinen Rechtsanwalt hat, nicht sehr gut.


Das eigentliche Asylverfahren

Ist diese Hürde überwunden, so wird die Äusländerbehörde deinen Antrag an das "Bundesamt für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge" in Zirndorf weitergeben. Deine Abschiebung wäre damit bis zur endgül­tigen Entscheidung gestoppt. Wenn es bisher nicht möglich war, so solltest du nun unbedingt einen Anwalt einsetzen, der den juristischen Kampf für dich weiterführt. Durch alle Instanzen kann das Verfahren gut zwei Jahre dauern. Stelle dich drauf ein, daß die Erfolgsaussichten, mit einem Asylantrag durchzu­kommen, in diesem Lande minimal sind - es sei denn, du bist aus einem Ostblockstaat geflüchtet. Aber vielleicht hilft dir bereits die durch das Asylverfahren gewonnene Zeit, die du in der BRD verbleiben darfst. Lange wird dies jedoch auch nicht mehr gehen: Es gibt Pläne, das Asylverfahren zu "effektivieren", d.h. schneller und noch aussichtloser zu machen. Arn Schluß sei noch einmal auf die im Kontaktadressenteil aufgeführten zahlreichen Ausländergruppen und -Organisationen hinge­wiesen, von denen du gerade bei drohender Abschiebung politische und rechtliche Unterstützung bekommen kannst.


7.5. Besondere rechtliche Probleme von ausländischen Gefangenen

Sie resultieren zum einen wieder aus den sprachlichen Schwierigkeiten -vor allem aber aus der Praxis des Aüfenthaitsrechts durch die Ausländer­behörden. Du bist als Ausländer in besonderem Maße von einem Anwalt abhängig. Da man aber nunmal nicht immer einen hat, hier einige wichtige rechtliche Hinweise:


Der Umgang mit den Behörden

Ein für die Ausländer bedeutsamer rechtsstaatlicher Grundsatz im •Umgang mit den Behörden: Kann ein Ausländer nicht so gut oder gar nicht deutsch sprechen - und das dürfte für die meisten zutreffen - so dürfen ihm daraus keine Nachteile entstehen. Konkret heißt das: Die Behörde hat selbst dafür zu sorgen, daß seine Anträge, Beschwerden etc. ins Deutsche übersetzt werden bzw. daß ihm ein Dolmetscher in den Knast geschickt wird. Ebenso müssen die Ant­worten der Behörde, Gerichtsentscheidungen und die Rechtsmitteibe-lehrungen in die Sprache des Gefangenen übersetzt werden. Geschieht das nicht - was leider nicht selten ist - so sind sie ungültig. Dies ist in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt worden, auf die man sich notfalls auch berufen kann. Sie" ist veröffentlicht in Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen (BVerfGE) Band 42, S. 120 ff. Auch Formfehler, die auf Grund mangelnder Sprachkenntnis zustande gekommen sind, dürfen nicht zu deinem Nachteil ausgenutzt werden. Fristen, die du aus diesem Grunde versäumst, müssen für dich verlängert werden. Notfalls mußt du dann einen Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" stellen, den du damit begründest, daß du die Frist wegen Sprachschwierigkeiten nicht einhalten konntest. Es gibt Dolmetscher, die sich - besonders wenn sie selbst Ausländer sind - den Gefangenen gegenüber hilfsbereit und solidarisch verhalten. Merke dir den Namen eines solchen Dolmetschers und verlange ihn, wenn nötig, zu sprechen. Vielleicht können dir auch Freunde oder Initiativgruppen von draußen einen Dolmetscher besorgen. Ansonsten kann es sinnvoller sein, sich bei Sprachschwierigkeiten von sprachkundigen Mitgefangenen helfen zu lassen.


Abschiebehaft

Die "Abschiebehaft" ist dazu da, zu garantieren, daß der Ausländer, den der Staat loswerden will, auch tatsächlich abgeschoben werden kann. Sehr oft kömmt man direkt aus der U-Haft oder Strafhaft in die Abschiebehaft. In vielen Fällen diente jedoch die Festnahme allein dem Zweck, dich in Abschiebehaft zu nehmen. Die Ausländerbehörden legen es dabei darauf an, ihre Opfer zu überra­schen und damit zu verhindern, daß sie sich einen Anwalt nehmen und rechtlich gegen die drohende Abschiebung vorgehen. Was kann man nun tun, wenn man keinen Anwalt erreicht? Sofort Widerspruch einlegen. Man schreibt an die Ausiänderbehörde, die die Abschiebung verfügt hat: "Hiermit lege ich gegen ihre Verfügung vom . . . Widerspruch ein. Mein weiterer Aufenthalt gefährdet nicht die öffentlichen Belange der Bundesrepublik Deutschland. . ." Hier kann man nun zu seinem Einzelfall noch nähere Ausführungen machen und damit die Gründe, die die Behörde für ihre Ausweisungsverfügung genannt hat, zu widerlegen versuchen. Außerdem kann man grundsätz­lich abschließend vermerken: "Darüber hinaus ist durch die Auswei­sungsverfügung die Verhältnismäßigkeit der Mittel verletzt." Die Behörde wird dann mit einem "Widerspruchsbescheid" antworten und möglicherweise neue Gründe für deine Ausweisung nachschieben, denen du dann wiederum etwas entgegensetzen müßt. Das Widerspruchsverfahren dauert eine Weile, und man könnte sich daher das weitere Vorgehen in Ruhe mit einem Anwalt überlegen, wenn nicht im Normalfall die Behörde die aufschiebende Wirkung, die ein damit ermöglicht, daß du trotz Widerspruchs sofort abgeschoben wirst. Es gibt hier jedoch eine juristische Möglichkeit, dem entgegenzutreten, die du, wenn du keinen Anwalt erreichen kannst, selbst wahrnehmen mußt: Du stellst einen sogenannten "Stopantrag" gemäß § 80, Abs.5 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) an das örtlich zuständige Verwal­tungsgericht, mit dem Inhalt, daß der von dir eingelegte Widerspruch (siehe oben) aufschiebende Wirkung besitzen solle. Zweck dieses Antrags ist es, eine Atempause zu erwirken, um sich einen Anwalt zu nehmen und in Ruhe einen Weg oder eine Strategie zu finden. Wird dem Antrag stattgegeben, so entfällt normalerweise auch der Grund für die Abschiebehaft. Welches Verwaltungsgericht für den "Stopantrag" zuständig ist, kannst du der Abschiebungsverfügung entnehmen und zwar in dem Abschnitt, der mit "Rechtsbehelfsbelehrung" überschrieben ist und der -wenn nötig- in deine Sprache übersetzt sein muß. Und so sieht der ganze Antrag dann aus:

An das Verwaltungsgericht(in dessen Einzugsbereich die Polizei- und Ordnungsbehörde, die dich abschieben will,ihren Sitz hat)

- Aktenzeichen - Eilt! Bitte sofort vorlegen! In dem Verwaltungsstreitverfahren des ......... , (Staatsangehörigkeit) (Adresse)

— Antragsteller — gegen die Stadt,Polizei-und Ordnungsbehörde, Abteilung, (Adresse)

-Antragsgegner - wegen: Anordnung der aufschiebenden Wirkung

beantrage ich 1. die aufschiebende Wirkung meines Widerspruchs vom gegen die Ausweisungsverfügung des Antragsgegner vom gem. §80 Abs. 5 VwGo wiederherzustellen, 2. dem Antragsgegner aufzugeben, den Vollzug der Ausweisungsver­fügung vom bis zur, Entscheidung über den zu 1. gestell­ten Antrag auszusetzen. 3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Begründung: Ich wurde durch die Verfügung des Antragsgegners vom aus der BRD ausgewiesen. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet. Gegen die Ausweisungsverfügung vom habe ich durch Schriftsatz vom Widerspruch eingelegt. Im Falle des sofortigen Vollzugs der angefochtenen Verfügung droht mir nicht wiedergutzumachender Schaden. An dieser Stelle mußt du Gründe dafür angeben, warum es für dich ungeheuer wichtig ist, in der BRD zu bleiben - warum du nicht in dein Heimatland abgeschoben werden willst, dazu kommen einige mögliche Gründe weiter unten. Wir haben eine Liste von "Lebensumständen" aufgestellt, die du durch­gehen solltest, ob etwas davon auch auf dich zutrifft, du also damit argumentieren kannst, oder ob es etwas ähnliches in deinem Leben gibt, was du anführen könntest: - Studium, das bloß in der BRD zu Ende zu führen ist, - Familie, die auseinandergerissen wird - es ist aus den und den Gründen für Frau/Mann/Kind unzumutbar nach zu kommmen etc., - Arbeitsplatz (aufpassen, wenn du keine Arbeitserlaubnis hast), - eine medizinische Behandlung, in der du dich befindest, die nur durch Ärzte, die deine Krankheitsgeschichte kennen und auch über die geeigneten therapeutischen Mittel und Anstalten verfügen, ohne schwerwiegende Nachteile für deine Gesundheit und dein Leben her­beizuführen, zu Ende zu führen ist, - Finanzierung des Lebensunterhalts - wenn du ihn durch Arbeit, Sti­pendium etc., also ohne die "Gefahr" für die Behörden, du könntest ihnen zur Last fallen, selbst bestreitest.

Wichtig ist bei all diesen Argumentationen folgende Vorgehensweise: Du schilderst erst einmal lang und breit die Situation, z.B.:

Seit dem studiere ich dort und dort. Bis jetzt habe ich über die Hälfte meines Studiums absolviert etc.

Dann erst, was du daraus folgerst:

Durch eine Ausweisung wäre es mir unmöglich gemacht worden, das Studium in der Weise zu Ende zu führen, wie ich es bisher vorgehabt habe.

Schildere deine Situation, wenn du in dein Heimatland abgeschoben würdest. Du mußt möglichst glaubhaft machen, daß dir die schlimmsten Repressalien drohen. Das gelingt dir am ehesten, wenn du Beispiele von politischer Verfolgung von Verwandten, dir politisch nahestehender Personen, eigene Erlebnisse dieser Art nennen kannst. Grundsätzlich ist es immer am besten, wenn du die Begründung der Ausweisungsverfügung widerlegen kannst. Für den Fall, daß die Ausweisungsverfügung damit begründet wird, daß du in einer politischen Gruppe mitarbeitest, schreibst du:

Grundsätzlich ist nach § 1 Abs. 1 Vereinsgesetz in Zusammenhang mit Artikel 1 Abs. 1; 2 Abs. 1 sowie 5 Abs. 1 Grundgesetz aus den obersten und für alle staatlichen Maßnahmen gültigen Grundsätzen der Verfassung ableitbar, daß auch das Vereinigungsrecht Ausländern garantiert ist und trotz des redaktionellen Vergessens des Ausländers in der Verfassung in Art. 8 Abs. 1, 9 Abs.l Grundgesetz die politische Betätigung von Ausländern in der Bundesrepublik verfassungsgemäß ist.

Du kannst vielleicht weiter argumentieren, daß die Gruppe, in der du gearbeitet hast, nicht verboten ist, legale politische Arbeit macht usw. Schreibe:

Das öffentliche Interesse wird durch meine Anwesenheit in der BRD während der Dauer des Widerspruchsverfahrens nicht beeinträchtigt.

Du solltest hier sagen, was du weiter in der BRD zu tun gedenkst, wenn das günstig für dich auslegbar ist. Für den Fall, daß parallel ein Asylantrag läuft:

Im Falle der sofortigen Ausweisung wäre die Gefahr und geradezu Sicherheit der endgültigen Rechtsvereitelung gegeben. Im Falle der Abschiebung ist es mir unmöglich (aus finanziellen Gründen, weil ich inhaftiert werde) das Asylverfahren weiter zu betreiben.

Wenn es stimmt, dann füge hinzu:

Ich habe nie versucht, unter Umgehung ausländerrechtlicher Vor­schriften mir in der BRD einen Aufenthalt sowie eine Arbeitserlaubnis zu erschleichen.

Unterschrift nicht vergessen!


Die Haftbedingungen in der Abschiebehaft

Für die Abschiebehaft gilt weitgehend das, was für die Strafhaft bisher gesagt wurde. Es besteht allerdings keine Arbeitspflicht.


Politisches Asyl

Eine andere rechtliche Möglichkeit, eine Abschiebung oder auch eine Auslieferung zu verhindern, kann ein Antrag auf "politisches Asyl' sein, den man auch neben dem "Stopantrag" (siehe oben) stellen kann. Auch hier gilt: Wenn es irgendwie möglich ist, sollte es ein Anwalt für dich machen, weil man hier sehr viele Fehler machen kann und weil, wie in kaum einem anderen Bereich, die Behörden ihre eigenen Gesetze miß­achten, wenn sie glauben, es sich leisten zu können. Außerdem ist eine politische Schützenhilfe durch Gruppen oder Organisationen wie amne-sty international wichtig. Du mußt angeben, daß du dich in deinem Heimatland politisch betätigt hast und dadurch von dem dort herrschen­den Regime verfolgt wirst und daß dadurch für dich Gesundheit, Leib, Leben und materielle Existenz in jenem Land bedroht ist. Der Asylan­trag sieht dann folgendermaßen aus:

Ich beantrage 1. mich als Asylberechtigten im Sinne von Art.16 Abs.2 des Grundgesetzes anzuerkennen. 2. mir gemäß Ausländergesetz Duldung zu erteilen.

Begründung: Hier kommt nun eine kurze Darstellung der Situation, wegen der du dein Heimatland verlassen mußtest, warum also dort wegen deiner politischen Betätigung dein Leben, Leib, deine materielle Existenz.gefährdet sind. Es ist sinnvoll, Berichte und Zeitungsartikel über die Zustände in dem betreffenden Land miteinzureichen. Geeignetes Material kann man viel­leicht von Initiativgruppen bekommen (s. Adressen teil). Der Asylantrag geht zunächst an die zuständige Ausländerbehörde. Diese prüft zunächst, ob hier nicht etwa ein "rechtsmißbräuchlicher Asylantrag" vorliegt. Kommt sie zu der Ansicht, du würdest mit deinem Antrag "asylfremde Zwecke" verfolgen - und das tut sie in der letzten Zeit immer häufiger, dann wirst du so behandelt, als hättest du keinen Asylantrag gestellt, d.h. unter Umständen abgeschoben.


Der "verspätete" Asylantrag

Die Ausländerbehörde wird sehr oft gerade dann einen Asylantrag für ungültig erklären, wenn man schon eine Zeitlang in der BRD war und erst jetzt in Abschiebehaft, aiso im letzten Augenblick den Asylantrag stellt. Du musst daher in deinem Asylantrag plausibel begründen können, warum du erst jetzt zu diesem Mittel greifst und nicht bereits unmittel­bar, nachdem du in dieses Land eingereist bist. Ein solcher Grund könnte sein, daß die Bedrohung für dich in deinem Heimatland erst später — also während deines Aufenthalts in der BRD -eingetreten ist (sogenannte "Nach-Fluchtgründe"), zum Beispiel weil in deinem Land in deiner Abwesenheit ein faschistischer Putsch stattgefun­den hat und du nun wegen deiner früheren Aktivitäten mit Verfolgung rechnen mußt, wenn du zurückkehren würdest. Oder: Du bist erst in der BRD offen als politischer Gegner des in deinem Heimatland herrschen­den Regimes aufgetreten und mußt deshalb zuhause mit Verfolgung rechnen. Alles muß jedoch wiederum kurz vor deiner Antragstellung passiert sein! Liegt eine "unverzügliche" Antragstellüng in keinem Fall vor, so muß für die Verspätung ein anerkannter Grund gefunden werden. Infrage kommt, daß du befürchten mußtest, daß zurückgebliebene Angehörige durch deinen Asylantrag der Verfolgung ausgesetzt wären oder daß du Angst vor Vergeltungsaktionen der im Auftrag deines Herkunftslandes tätigen Geheimdienste hättest. Die Chancen damit durchzukommen, d.h. daß der Asylantrag überhaupt als solcher zur Kenntnis genommen wird, stehen besonders dann, wenn man keinen Rechtsanwalt hat, nicht sehr gut.


Das eigentliche Asylverfahren

Ist diese Hürde überwunden, so wird die Äusländerbehörde deinen Antrag an das "Bundesamt für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge" in Zirndorf weitergeben. Deine Abschiebung wäre damit bis zur endgül­tigen Entscheidung gestoppt. Wenn es bisher nicht möglich war, so solltest du nun unbedingt einen Anwalt einsetzen, der den juristischen Kampf für dich weiterführt. Durch alle Instanzen kann das Verfahren gut zwei Jahre dauern. Stelle dich drauf ein, daß die Erfolgsaussichten, mit einem Asylantrag durchzu­kommen, in diesem Lande minimal sind - es sei denn, du bist aus einem Ostblockstaat geflüchtet. Aber vielleicht hilft dir bereits die durch das Asylverfahren gewonnene Zeit, die du in der BRD verbleiben darfst. Lange wird dies jedoch auch nicht mehr gehen: Es gibt Pläne, das Asylverfahren zu "effektivieren", d.h. schneller und noch aussichtloser zu machen. Arn Schluß sei noch einmal auf die im Kontaktadressenteil aufgeführten zahlreichen Ausländergruppen und -Organisationen hinge­wiesen, von denen du gerade bei drohender Abschiebung politische und rechtliche Unterstützung bekommen kannst.